und kehrten schweigend zurXck, denn sie selbst gedachten diesen Tag sich der Speise zu enthalten. Sie sahen Gotama wiederkehren, sahen ihn im Kreise seiner JXnger die Mahlzeit einnehmen X was er aX, hXtte keinen Vogel satt gemacht -- und sahen ihn sich zurXckziehen in den Schatten der MangobXume. Am Abend aber, als die Hitze sich legte und alles im Lager lebendig ward und sich versammelte, hXrten sie den Buddha lehren. Sie hXrten seine Stimme, und auch sie war vollkommen, war von vollkommener Ruhe, war voll von Frieden. Gotama lehrte die Lehre vom Leiden, von der Herkunft des Leidens, vom Weg zur Aufhebung des Leidens. Ruhig floss und klar seine stille Rede. Leiden war das Leben, voll Leid war die Welt, aber ErlXsung vom Leid war gefunden: ErlXsung fand, wer den Weg des Buddha ging. Mit sanfter, doch fester Stimme sprach der Erhabene, lehrte die vier HauptsXtze, lehrte den achtfachen Pfad, geduldig ging er den gewohnten Weg der Lehre, der Beispiele, der Wiederholungen, hell und still schwebte seine Stimme Xber den HXrenden, wie ein Licht, wie ein Sternhimmel. Als der Buddha X es war schon Nacht geworden X seine Rede schloss, traten manche Pilger hervor und baten um Aufnahme in die Gemeinschaft, nahmen ihre Zuflucht zur Lehre. Und Gotama nahm sie auf, indem er sprach: "Wohl habt ihr die Lehre vernommen, wohl ist sie verkXndigt. Tretet denn herzu und wandelt in Heiligkeit, allem Leid ein Ende zu bereiten." Siehe, da trat auch Govinda hervor, der SchXchterne, und sprach: "Auch ich nehme meine Zuflucht zum Erhabenen und zu seiner Lehre," und bat um Aufnahme in die JXngerschaft, und ward aufgenommen. Gleich darauf, da sich der Buddha zur Nachtruhe zurXckgezogen hatte, wendete sich Govinda zu Siddhartha und sprach eifrig: "Siddhartha, nicht steht es mir zu, dir einen Vorwurf zu machen. Beide haben wir den Erhabenen gehXrt, beide haben wir die Lehre vernommen. Govinda hat die Lehre gehXrt, er hat seine Zuflucht zu ihr genommen. Du aber, Verehrter, willst denn nicht auch du den Pfad der ErlXsung gehen? Willst du zXgern, willst du noch warten?" Siddhartha erwachte wie aus einem Schlafe, als er Govindas Worte vernahm. Lange blickte er in Govindas Gesicht. Dann sprach er leise, mit einer Stimme ohne Spott: "Govinda, mein Freund, nun hast du den Schritt getan, nun hast du den Weg erwXhlt. Immer, o Govinda, bist du mein Freund gewesen, immer bist du einen Schritt hinter mir gegangen. Oft habe ich gedacht: Wird Govinda nicht auch einmal einen Schritt allein tun, ohne mich, aus der eigenen Seele? Siehe, nun bist du ein Mann geworden und wXhlst selber deinen Weg. MXgest du ihn zu Ende gehen, o mein Freund! MXgest du ErlXsung finden!" Govinda, welcher noch nicht vXllig verstand, wiederholte mit einem Ton von Ungeduld seine Frage: "Sprich doch, ich bitte dich, mein Lieber! Sage mir, wie es ja nicht anders sein kann, dass auch du, mein gelehrter Freund, deine Zuflucht zum erhabenen Buddha nehmen wirst!" Siddhartha legte seine Hand auf die Schulter Govindas: "Du hast meinen Segenswunsch XberhXrt, o Govinda. Ich wiederhole ihn: MXgest du diesen Weg zu Ende gehen! MXgest du ErlXsung finden!" In diesem Augenblick erkannte Govinda, dass sein Freund ihn verlassen habe, und er begann zu weinen. "Siddhartha!" rief er klagend. Siddhartha sprach freundlich zu ihm: "Vergiss nicht, Govinda, dass du nun zu den Samanas des Buddha gehXrst! Abgesagt hast du Heimat und Eltern, abgesagt Herkunft und Eigentum, abgesagt deinem eigenen Willen, abgesagt der Freundschaft. So will es die Lehre, so will es der Erhabene. So hast du selbst es gewollt. Morgen, o Govinda, werde ich dich verlassen." Lange noch wandelten die Freunde im GehXlz, lange lagen sie und fanden nicht den Schlaf. Und immer von neuem drang Govinda in seinen Freund, er mXge ihm sagen, warum er nicht seine Zuflucht zu Gotamas Lehre nehmen wolle, welchen Fehler denn er in dieser Lehre finde. Siddhartha aber wies ihn jedesmal zurXck und sagte: "Gib dich zufrieden, Govinda! Sehr gut ist des Erhabenen Lehre, wie sollte ich einen Fehler an ihr finden?" Am frXhesten Morgen ging ein Nachfolger Buddhas, einer seiner Xltesten MXnche, durch den Garten und rief alle jene zu sich, welche als Neulinge ihre Zuflucht zur Lehre genommen hatten, um ihnen das gelbe Gewand anzulegen und sie in den ersten Lehren und Pflichten ihres Standes zu unterweisen. Da riss Govinda sich los, umarmte noch einmal den Freund seiner Jugend und schloss sich dem Zuge der Novizen an. Siddhartha aber wandelte in Gedanken durch den Hain. Da begegnete ihm Gotama, der Erhabene, und als er ihn mit Ehrfurcht begrXte und der Blick des Buddha so voll GXte und Stille war, fasste der JXngling Mut und bat den EhrwXrdigen um Erlaubnis, zu ihm zu sprechen. Schweigend nickte der Erhabene GewXhrung. Sprach Siddhartha: "Gestern, o Erhabener, war es mir vergXnnt, deine wundersame Lehre zu hXren. Zusammen mit meinem Freunde kam ich aus der Ferne her, um die Lehre zu hXren. Und nun wird mein Freund bei den Deinen bleiben, zu dir hat er seine Zuflucht genommen. Ich aber trete meine Pilgerschaft aufs neue an." "Wie es dir beliebt", sprach der EhrwXrdige hXflich. "Allzu kXhn ist meine Rede," fuhr Siddhartha fort, "aber ich mXchte den Erhabenen nicht verlassen, ohne ihm meine Gedanken in Aufrichtigkeit mitgeteilt zu haben. Will mir der EhrwXrdige noch einen Augenblick GehXr schenken?" Schweigend nickte der Buddha GewXhrung. Sprach Siddhartha: "Eines, o EhrwXrdigster, habe ich an deiner Lehre vor allem bewundert. Alles in deiner Lehre ist vollkommen klar, ist bewiesen; als eine vollkommene, als eine nie und nirgends unterbrochene Kette zeigst du die Welt als eine ewige Kette, gefXgt aus Ursachen und Wirkungen. Niemals ist dies so klar gesehen, nie so unwiderleglich dargestellt worden; hXher wahrlich muss jedem Brahmanen das Herz im Leibe schlagen, wenn er, durch deine Lehre hindurch, die Welt erblickt als vollkommenen Zusammenhang, lXckenlos, klar wie ein Kristall, nicht vom Zufall abhXngig, nicht von GXttern abhXngig. Ob sie gut oder bXse, ob das Leben in ihr Leid oder Freude sei, mXge dahingestellt bleiben, es mag vielleicht sein, dass dies nicht wesentlich ist X aber die Einheit der Welt, der Zusammenhang alles Geschehens, das Umschlossensein alles GroXen und Kleinen vom selben Strome, vom selben Gesetz der Ursachen, des Werdens und des Sterbens, dies leuchtet hell aus deiner erhabenen Lehre, o Vollendeter. Nun aber ist, deiner selben Lehre nach, diese Einheit und Folgerichtigkeit aller Dinge dennoch an einer Stelle unterbrochen, durch eine kleine LXcke strXmt in diese Welt der Einheit etwas Fremdes, etwas Neues, etwas, das vorher nicht war, und das nicht gezeigt und nicht bewiesen werden kann: das ist deine Lehre von der Xberwindung der Welt, von der ErlXsung. Mit dieser kleinen LXcke, mit dieser kleinen Durchbrechung aber ist das ganze ewige und einheitliche Weltgesetz wieder zerbrochen und aufgehoben. MXgest du mir verzeihen, wenn ich diesen Einwand ausspreche." Still hatte Gotama ihm zugehXrt, unbewegt. Mit seiner gXtigen, mit seiner hXflichen und klaren Stimme sprach er nun, der Vollendete: "Du hast die Lehre gehXrt, o Brahmanensohn, und wohl dir, dass du Xber sie so tief nachgedacht hast. Du hast eine LXcke in ihr gefunden, einen Fehler. MXgest du weiter darXber nachdenken. Lass dich aber warnen, du Wissbegieriger, vor dem Dickicht der Meinungen und vor dem Streit um Worte. Es ist an Meinungen nichts gelegen, sie mXgen schXn oder hXlich, klug oder tXricht sein, jeder kann ihnen anhXngen oder sie verwerfen. Die Lehre aber, die du von mir gehXrt hast, ist nicht eine Meinung, und ihr Ziel ist nicht, die Welt fXr Wissbegierige zu erklXren. Ihr Ziel ist ein anderes; ihr Ziel ist ErlXsung vom Leiden. Diese ist es, welche Gotama lehrt, nichts anderes." "MXgest du mir, o Erhabener, nicht zXrnen", sagte der JXngling. "Nicht um Streit mit dir zu suchen, Streit um Worte, habe ich so zu dir gesprochen. Du hast wahrlich recht, wenig ist an Meinungen gelegen. Aber lass mich dies eine noch sagen: Nicht einen Augenblick habe ich an dir gezweifelt. Ich habe nicht einen Augenblick gezweifelt, dass du Buddha bist, dass du das Ziel erreicht hast, das hXchste, nach welchem so viel tausend Brahmanen und BrahmanensXhne unterwegs sind. Du hast die ErlXsung,vom Tode gefunden. Sie ist dir geworden aus deinem eigenen Suchen, auf deinem eigenen Wege, durch Gedanken, durch Versenkung, durch Erkenntnis, durch Erleuchtung. Nicht ist sie dir geworden durch Lehre! Und X so ist mein Gedanke, o Erhabener X keinem wird ErlXsung zu teil durch Lehre! Keinem, o EhrwXrdiger, wirst du in Worten und durch Lehre mitteilen und sagen kXnnen, was dir geschehen ist in der Stunde deiner Erleuchtung! Vieles enthXlt die Lehre des erleuchteten Buddha, viele lehrt sie, rechtschaffen zu leben, BXses zu meiden. Eines aber enthXlt die so klare, die so ehrwXrdige Lehre nicht: sie enthXlt nicht das Geheimnis dessen, was der Erhabene selbst erlebt hat, er allein unter den Hunderttausenden. Dies ist es, was ich gedacht und erkannt habe, als ich die Lehre hXrte. Dies ist es, weswegen ich meine Wanderschaft fortsetze X nicht um eine andere, eine bessere Lehre zu suchen, denn ich weiX, es gibt keine, sondern um alle Lehren und alle Lehrer zu verlassen und allein mein Ziel zu erreichen oder zu sterben. Oftmals aber werde ich dieses Tages denken, o Erhabener, und dieser Stunde, da meine Augen einen Heiligen sahen." Die Augen des Buddha blickten still zu Boden, still in vollkommenem Gleichmut strahlte sein unerforschliches Gesicht. "MXgen deine Gedanken," sprach der EhrwXrdige langsam, "keine IrrtXmer sein! MXgest du ans Ziel kommen! Aber sage mir: Hast du die Schar meiner Samanas gesehen, meiner vielen BrXder, welche ihre Zuflucht zur Lehre genommen haben? Und glaubst du, fremder Samana, glaubst du, dass es diesen allen besser wXre, die Lehre zu verlassen und in das Leben der Welt und der LXste zurXckzukehren?" "Fern ist ein solcher Gedanke von mir", rief Siddhartha. "MXgen sie alle bei der Lehre bleiben, mXgen sie ihr Ziel erreichen! Nicht steht mir zu, Xber eines andern Leben zu urteilen. Einzig fXr mich, fXr mich allein muss ich urteilen, muss ich wXhlen, muss ich ablehnen. ErlXsung vom Ich suchen wir Samanas, o Erhabener. WXre ich nun einer deiner JXnger, o EhrwXrdiger, so fXrchte ich, es mXchte mir geschehen, dass nur scheinbar, nur trXgerisch mein Ich zur Ruhe kXme und erlXst wXrde, dass es aber in Wahrheit weiterlebte und groX wXrde, denn ich hXtte dann die Lehre, hXtte meine Nachfolge, hXtte meine Liebe zu dir, hXtte die Gemeinschaft der MXnche zu meinem Ich gemacht!" Mit halbem LXcheln, mit einer unerschXtterten Helle und Freundlichkeit sah Gotama dem Fremdling ins Auge und verabschiedete ihn mit einer kaum sichtbaren GebXrde. "Klug bist du, o Samana", sprach der EhrwXrdige. "Klug weiXt du zu reden, mein Freund. HXte dich vor allzu groXer Klugheit!" Hinweg wandelte der Buddha, und sein Blick und halbes LXcheln blieb fXr immer in Siddharthas GedXchtnis eingegraben. So habe ich noch keinen Menschen blicken und lXcheln, sitzen und schreiten sehen, dachte er, so wahrlich wXnsche auch ich blicken und lXcheln, sitzen und schreiten zu kXnnen, so frei, so ehrwXrdig, so verborgen, so offen, so kindlich und geheimnisvoll. So wahrlich blickt und schreitet nur der Mensch, der ins Innerste seines Selbst gedrungen ist. Wohl, auch ich werde ins Innerste meines Selbst zu dringen suchen. Einen Menschen sah ich, dachte Siddhartha, einen einzigen, vor dem ich meine Augen niederschlagen musste. Vor keinem andern mehr will ich meine Augen niederschlagen, vor keinem mehr. Keine Lehre mehr wird mich verlocken, da dieses Menschen Lehre mich nicht verlockt hat. Beraubt hat mich der Buddha, dachte Siddhartha, beraubt hat er mich, und mehr noch hat er mich beschenkt. Beraubt hat er mich meines Freundes, dessen, der an mich glaubte und der nun an ihn glaubt, der mein Schatten war und nun Gotamas Schatten ist. Geschenkt aber hat er mir Siddhartha, mich selbst. ERWACHEN Als Siddhartha den Hain verlieX, in welchem der Buddha, der Vollendete, zurXckblieb, in welchem Govinda zurXckblieb, da fXhlte er, dass in diesem Hain auch sein bisheriges Leben hinter ihm zurXckblieb und sich von ihm trennte. Dieser Empfindung, die ihn ganz erfXllte, sann er im langsamen Dahingehen nach. Tief sann er nach, wie durch ein tiefes Wasser lieX er sich bis auf den Boden dieser Empfindung hinab, bis dahin, wo die Ursachen ruhen, denn Ursachen erkennen, so schien ihm, das eben ist Denken, und dadurch allein werden Empfindungen zu Erkenntnissen und gehen nicht verloren, sondern werden wesenhaft und beginnen auszustrahlen, was in ihnen ist. Im langsamen Dahingehen dachte Siddhartha nach. Er stellte fest, dass er kein JXngling mehr, sondern ein Mann geworden sei. Er stellte fest, dass eines ihn verlassen hatte, wie die Schlange von ihrer alten Haut verlassen wird, dass eines nicht mehr in ihm vorhanden war, das durch seine ganze Jugend ihn begleitet und zu ihm gehXrt hatte: der Wunsch, Lehrer zu haben und Lehren zu hXren. Den letzten Lehrer, der an seinem Wege ihm erschienen war, auch ihn, den hXchsten und weisesten Lehrer, den Heiligsten, Buddha, hatte er verlassen, hatte sich von ihm trennen mXssen, hatte seine Lehre nicht annehmen kXnnen. Langsamer ging der Denkende dahin und fragte sich selbst: "Was nun ist es aber, das du aus Lehren und von Lehrern hattest lernen wollen, und was sie, die dich viel gelehrt haben, dich doch nicht lehren konnten?" Und er fand: "Das Ich war es, dessen Sinn und Wesen ich lernen wollte. Das Ich war es, von dem ich loskommen, das ich Xberwinden wollte. Ich konnte es aber nicht Xberwinden, konnte es nur tXuschen, konnte nur vor ihm fliehen, mich nur vor ihm verstecken. Wahrlich, kein Ding in der Welt hat so viel meine Gedanken beschXftigt wie dieses mein Ich, dies RXtsel, dass ich lebe, dass ich einer und von allen andern getrennt und abgesondert bin, dass ich Siddhartha bin! Und Xber kein Ding in der Welt weiX ich weniger als Xber mich, Xber Siddhartha!" Der im langsamen Dahingehen Denkende blieb stehen, von diesem Gedanken erfasst, und alsbald sprang aus diesem Gedanken ein anderer hervor, ein neuer Gedanke, der lautete: "Dass ich nichts von mir weiX, dass Siddhartha mir so fremd und unbekannt geblieben ist, das kommt aus einer Ursache, einer einzigen: Ich hatte Angst vor mir, ich war auf der Flucht vor mir! Atman suchte ich, Brahman suchte ich, ich war gewillt, mein Ich zu zerstXcken und auseinander zu schXlen, um in seinem unbekannten Innersten den Kern aller Schalen zu finden, den Atman, das Leben, das GXttliche, das Letzte. Ich selbst aber ging mir dabei verloren." Siddhartha schlug die Augen auf und sah um sich, ein LXcheln erfXllte sein Gesicht, und ein tiefes GefXhl von Erwachen aus langen TrXumen durchstrXmte ihn bis in die Zehen. Und alsbald lief er wieder, lief rasch, wie ein Mann, welcher weiX, was er zu tun hat. "Oh", dachte er aufatmend mit tiefem Atemzug, "nun will ich mir den Siddhartha nicht mehr entschlXpfen lassen! Nicht mehr will ich mein Denken und mein Leben beginnen mit Atman und mit dem Leid der Welt. Ich will mich nicht mehr tXten und zerstXcken, um hinter den TrXmmern ein Geheimnis zu finden. Nicht Yoga-Veda mehr soll mich lehren, noch Atharva-Veda, noch die Asketen, noch irgendwelche Lehre. Bei mir selbst will ich lernen, will ich SchXler sein, will ich mich kennen lernen, das Geheimnis Siddhartha." Er blickte um sich, als sXhe er zum ersten Male die Welt. SchXn war die Welt, bunt war die Welt, seltsam und rXtselhaft war die Welt! Hier war Blau, hier war Gelb, hier war GrXn, Himmel floss und Fluss, Wald starrte und Gebirg, alles schXn, alles rXtselvoll und magisch, und inmitten er, Siddhartha, der Erwachende, auf dem Wege zu sich selbst. All dieses, all dies Gelb und Blau, Fluss und Wald, ging zum erstenmal durchs Auge in Siddhartha ein, war nicht mehr Zauber Maras, war nicht mehr der Schleier der Maya, war nicht mehr sinnlose und zufXllige Vielfalt der Erscheinungswelt, verXchtlich dem tief denkenden Brahmanen, der die Vielfalt verschmXht, der die Einheit sucht. Blau war Blau, Fluss war Fluss, und wenn auch im Blau und Fluss in Siddhartha das Eine und GXttliche verborgen lebte, so war es doch eben des GXttlichen Art und Sinn, hier Gelb, hier Blau, dort Himmel, dort Wald und hier Siddhartha zu sein. Sinn und Wesen war nicht irgendwo hinter den Dingen, sie waren in ihnen, in allem. "Wie bin ich taub und stumpf gewesen!" dachte der rasch dahin Wandelnde. "Wenn einer eine Schrift liest, deren Sinn er suchen will, so verachtet er nicht die Zeichen und Buchstaben und nennt sie TXuschung, Zufall und wertlose Schale, sondern er liest sie, er studiert und liebt sie, Buchstabe um Buchstabe. Ich aber, der ich das Buch der Welt und das Buch meines eigenen Wesens lesen wollte, ich habe, einem im voraus vermuteten Sinn zuliebe, die Zeichen und Buchstaben verachtet, ich nannte die Welt der Erscheinungen TXuschung, nannte mein Auge und meine Zunge zufXllige und wertlose Erscheinungen. Nein, dies ist vorXber, ich bin erwacht, ich bin in der Tat erwacht und heute erst geboren." Indem Siddhartha diesen Gedanken dachte, blieb er abermals stehen, plXtzlich, als lXge eine Schlange vor ihm auf dem Weg. Denn plXtzlich war auch dies ihm klar geworden: Er, der in der Tat wie ein Erwachter oder Neugeborener war, er musste sein Leben neu und vXllig von vorn beginnen. Als er an diesem selben Morgen den Hain Jetavana, den Hain jenes Erhabenen, verlassen hatte, schon erwachend, schon auf dem Wege zu sich selbst, da war es seine Absicht gewesen und war ihm natXrlich und selbstverstXndlich erschienen, dass er, nach den Jahren seines Asketentums, in seine Heimat und zu seinem Vater zurXckkehre. Jetzt aber, erst in diesem Augenblick, da er stehen blieb, als lXge eine Schlange auf seinem Wege, erwachte er auch zu dieser Einsicht: "Ich bin ja nicht mehr, der ich war, ich bin nicht mehr Asket, ich bin nicht mehr Priester, ich bin nicht mehr Brahmane. Was denn soll ich zu Hause und bei meinem Vater tun? Studieren? Opfern? Die Versenkung pflegen? Dies alles ist ja vorXber, dies alles liegt nicht mehr an meinem Wege." Regungslos blieb Siddhartha stehen, und einen Augenblick und Atemzug lang fror sein Herz, er fXhlte es in der Brust innen frieren wie ein kleines Tier, einen Vogel oder einen Hasen, als er sah, wie allein er sei. Jahrelang war er heimatlos gewesen und hatte es nicht gefXhlt. Nun fXhlte er es. Immer noch, auch in der fernsten Versenkung, war er seines Vaters Sohn gewesen, war Brahmane gewesen, hohen Standes, ein Geistiger. Jetzt war er nur noch Siddhartha, der Erwachte, sonst nichts mehr. Tief sog er den Atem ein, und einen Augenblick fror er und schauderte. Niemand war so allein wie er. Kein Adliger, der nicht zu den Adligen, kein Handwerker, der nicht zu den Handwerkern gehXrte und Zuflucht bei ihnen fand, ihr Leben teilte, ihre Sprache sprach. Kein Brahmane, der nicht zu den Brahmanen zXhlte und mit ihnen lebte, kein Asket, der nicht im Stande der Samanas seine Zuflucht fand, und auch der verlorenste Einsiedler im Walde war nicht einer und allein, auch ihn umgab ZugehXrigkeit, auch er gehXrte einem Stande an, der ihm Heimat war. Govinda war MXnch geworden, und tausend MXnche waren seine BrXder, trugen sein Kleid, glaubten seinen Glauben, sprachen seine Sprache. Er aber, Siddhartha, wo war er zugehXrig? Wessen Leben wXrde er teilen? Wessen Sprache wXrde er sprechen? Aus diesem Augenblick, wo die Welt rings von ihm wegschmolz, wo er allein stand wie ein Stern am Himmel, aus diesem Augenblick einer KXlte und Verzagtheit tauchte Siddhartha empor, mehr Ich als zuvor, fester geballt. Er fXhlte: Dies war der letzte Schauder des Erwachens gewesen, der letzte Krampf der Geburt. Und alsbald schritt er wieder aus, begann rasch und ungeduldig zu gehen, nicht mehr nach Hause, nicht mehr zum Vater, nicht mehr zurXck. ZWEITER TEILXWilhelm Gundert meinem Vetter in Japan gewidmet KAMALA Siddhartha lernte Neues auf jedem Schritt seines Weges, denn die Welt war verwandelt, und sein Herz war bezaubert. Er sah die Sonne Xberm Waldgebirge aufgehen und Xberm fernen Palmenstrande untergehen. Er sah nachts am Himmel die Sterne geordnet, und den Sichelmond wie ein Boot im Blauen schwimmend. Er sah BXume, Sterne, Tiere, Wolken, Regenbogen, Felsen, KrXuter, Blumen, Bach und Fluss, Taublitz im morgendIichen GestrXuch, ferne hohe Berge blau und bleich, VXgel sangen und Bienen, Wind wehte silbern im Reisfelde. Dies alles, tausendfalt und bunt, war immer dagewesen, immer hatten Sonne und Mond geschienen, immer FlXsse gerauscht und Bienen gesummt, aber es war in den frXheren Zeiten fXr Siddhartha dies alles nichts gewesen als ein flXchtiger und trXgerischer Schleier vor seinem Auge, mit Misstrauen betrachtet, dazu bestimmt, vom Gedanken durchdrungen und vernichtet zu werden, da es nicht Wesen war, da das Wesen jenseits der Sichtbarkeit lag. Nun aber weilte sein befreites Auge diesseits, es sah und erkannte die Sichtbarkeit, suchte Heimat in dieser Welt, suchte nicht das Wesen, zielte in kein Jenseits. SchXn war die Welt, wenn man sie so betrachtete, so ohne Suchen, so einfach, so kinderhaft. SchXn war Mond und Gestirn, schXn war Bach und Ufer, Wald und Fels, Ziege und GoldkXfer, Blume und Schmetterling. SchXn und lieblich war es, so durch die Welt zu gehen, so kindlich, so erwacht, so dem Nahen aufgetan, so ohne Misstrauen. Anders brannte die Sonne aufs Haupt, anders kXhlte der Waldschatten, anders schmeckte Bach und Zisterne, anders KXrbis und Banane. Kurz waren die Tage, kurz die NXchte, jede Stunde floh schnell hinweg wie ein Segel auf dem Meere, unterm Segel ein Schiff voll von SchXtzen, voll von Freuden. Siddhartha sah ein Affenvolk im hohen WaldgewXlbe wandern, hoch im GeXst, und hXrte seinen wilden, gierigen Gesang. Siddhartha sah einen Schafbock ein Schaf verfolgen und begatten. Er sah in einem Schilfsee den Hecht im Abendhunger jagen, vor ihm her schnellten angstvoll, flatternd und blitzend die jungen Fische in Scharen aus dem Wasser, Kraft und Leidenschaft duftete dringlich aus den hastigen Wasserwirbeln, die der ungestXm Jagende zog. All dieses war immer gewesen, und er hatte es nicht gesehen; er war nicht dabei gewesen. Jetzt war er dabei, er gehXrte dazu. Durch sein Auge lief Licht und Schatten, durch sein Herz lief Stern und Mond. Siddhartha erinnerte sich unterwegs auch alles dessen, was er im Garten Jetavana erlebt hatte, der Lehre, die er dort gehXrt, des gXttlichen Buddha, des Abschiedes von Govinda, des GesprXches mit dem Erhabenen. Seiner eigenen Worte, die er zum Erhabenen gesprochen hatte, erinnerte er sich wieder, jedes Wortes, und mit Erstaunen wurde er dessen inne, dass er da Dinge gesagt hatte, die er damals noch gar nicht eigentlich wusste. Was er zu Gotama gesagt hatte: sein, des Buddha, Schatz und Geheimnis sei nicht die Lehre, sondern das Unaussprechliche und nicht Lehrbare, das er einst zur Stunde seiner Erleuchtung erlebt habe X dies war es ja eben, was zu erleben er jetzt auszog, was zu erleben er jetzt begann. Sich selbst musste er jetzt erleben. Wohl hatte er schon lange gewusst, dass sein Selbst Atman sei, vom selben ewigen Wesen wie Brahman. Aber nie hatte er dies Selbst wirklich gefunden, weil er es mit dem Netz des Gedankens hatte fangen wollen. War auch gewiss der KXrper nicht das Selbst, und nicht das Spiel der Sinne, so war es doch auch das Denken nicht, nicht der Verstand, nicht die erlernte Weisheit, nicht die erlernte Kunst, SchlXsse zu ziehen und aus schon Gedachtem neue Gedanken zu spinnen. Nein, auch diese Gedankenwelt war noch diesseits, und es fXhrte zu keinem Ziele, wenn man das zufXllige Ich der Sinne tXtete, dafXr aber das zufXllige Ich der Gedanken und Gelehrsamkeiten mXstete. Beide, die Gedanken wie die Sinne, waren hXbsche Dinge, hinter beiden lag der letzte Sinn verborgen, beide galt es zu hXren, mit beiden zu spielen, beide weder zu verachten noch zu XberschXtzen, aus beiden die geheimen Stimmen des Innersten zu erlauschen. Nach nichts wollte er trachten, als wonach die Stimme ihm zu trachten befXhle, bei nichts verweilen, als wo die Stimme es riete. Warum war Gotama einst, in der Stunde der Stunden, unter dem Bo-Baume niedergesessen, wo die Erleuchtung ihn traf? Er hatte eine Stimme gehXrt, eine Stimme im eigenen Herzen, die ihm befahl, unter diesem Baume Rast zu suchen, und er hatte nicht Kasteiung, Opfer, Bad oder Gebet, nicht Essen noch Trinken, nicht Schlaf noch Traum vorgezogen, er hatte der Stimme gehorcht. So zu gehorchen, nicht XuXerm Befehl, nur der Stimme, so bereit zu sein, das war gut, das war notwendig, nichts anderes war notwendig. In der Nacht, da er in der strohernen HXtte eines FXhrmanns am Flusse schlief, hatte Siddhartha einen Traum: Govinda stand vor ihm, in einem gelben Asketengewand. Traurig sah Govinda aus, traurig fragte er: Warum hast du mich verlassen? Da umarmte er Govinda, schlang seine Arme um ihn, und indem er ihn an seine Brust zog und kXsste, war es nicht Govinda mehr, sondern ein Weib, und aus des Weibes Gewand quoll eine volle Brust, an der lag Siddhartha und trank, sX und stark schmeckte die Milch dieser Brust. Sie schmeckte nach Weib und Mann, nach Sonne und Wald, nach Tier und Blume, nach jeder Frucht, nach jeder Lust. Sie machte trunken und bewusstlos. X Als Siddhartha erwachte, schimmerte der bleiche Fluss durch die TXr der HXtte, und im Walde klang tief und wohllaut ein dunkler Eulenruf. Als der Tag begann, bat Siddhartha seinen Gastgeber, den FXhrmann, ihn Xber den Fluss zu setzen. Der FXhrmann setzte ihn auf seinem Bambusfloss Xber den Fluss, rXtlich schimmerte im Morgenschein das breite Wasser. "Das ist ein schXner Fluss," sagte er zu seinem Begleiter. "Ja," sagte der FXhrmann, "ein sehr schXner Fluss, ich liebe ihn Xber alles. Oft habe ich ihm zugehXrt, oft in seine Augen gesehen, und immer habe ich von ihm gelernt. Man kann viel von einem Flusse lernen." "Ich danke dir, mein WohltXter," sprach Siddhartha, da er ans andere Ufer stieg. "Kein Gastgeschenk habe ich dir zu geben, Lieber, und keinen Lohn zu geben. Ein Heimatloser bin ich, ein Brahmanensohn und Samana." "Ich sah es wohl," sprach der FXhrmann, "und ich habe keinen Lohn vor dir erwartet, und kein Gastgeschenk. Du wirst mir das Geschenk ein anderes Mal geben." "Glaubst du?" sagte Siddhartha lustig. "Gewiss. Auch das habe ich vom Flusse gelernt: alles kommt wieder! Auch du, Samana, wirst wieder kommen. Nun lebe wohl! MXge deine Freundschaft mein Lohn sein. MXgest du meiner gedenken, wenn du den GXttern opferst." LXchelnd schieden sie voneinander. LXchelnd freute sich Siddhartha Xber die Freundschaft und Freundlichkeit des FXhrmanns. "Wie Govinda ist er," dachte er lXchelnd, "alle, die ich auf meinem Wege antreffe, sind wie Govinda. Alle sind dankbar, obwohl sie selbst Anspruch auf Dank hXtten. Alle sind unterwXrfig, alle mXgen gern Freund sein, gern gehorchen, wenig denken. Kinder sind die Menschen." Um die Mittagszeit kam er durch ein Dorf. Vor den LehmhXtten wXlzten sich Kinder auf der Gasse, spielten mit KXrbiskernen und Muscheln, schrien und balgten sich, flohen aber alle scheu vor dem fremden Samana. Am Ende des Dorfes fXhrte der Weg durch einen Bach, und am Rande des Baches kniete ein junges Weib und wusch Kleider. Als Siddhartha sie grXte, hob sie den Kopf, und blickte mit LXcheln zu ihm auf, dass er das WeiXe in ihrem Auge blitzen sah. Er rief einen Segensspruch hinXber, wie er unter Reisenden Xblich ist, und fragte, wie weit der Weg bis zur groXen Stadt noch sei. Da stand sie auf und trat zu ihm her, schXn schimmerte ihr feuchter Mund im jungen Gesicht. Sie tauschte Scherzreden mit ihm, fragte, ob er schon gegessen habe, und ob es wahr sei, dass die Samanas nachts allein im Walde schliefen und keine Frauen bei sich haben dXrfen. Dabei setzte sie ihren linken FuX auf seinen rechten und machte eine Bewegung, wie die Frau sie macht, wenn sie den Mann zu jener Art des Liebesgenusses auffordert, welchen die LehrbXcher "das Baumbesteigen" nennen. Siddhartha fXhlte sein Blut erwarmen, und da sein Traum ihm in diesem Augenblick wieder einfiel, bXckte er sich ein wenig zu dem Weibe herab und kXsste mit den Lippen die braune Spitze ihrer Brust. Aufschauend sah er ihr Gesicht voll Verlangen lXcheln und die verkleinerten Augen in Sehnsucht flehen. Auch Siddhartha fXhlte Sehnsucht und den Quell des Geschlechts sich bewegen; da er aber noch nie ein Weib berXhrt hatte, zXgerte er einen Augenblick, wXhrend seine HXnde schon bereit waren, nach ihr zu greifen. Und in diesem Augenblick hXrte er, erschauernd, die Stimme seines Innern, und die Stimme sagte Nein. Da wich vom lXchelnden Gesicht der jungen Frau aller Zauber, er sah nichts mehr als den feuchten Blick eines brXnstigen Tierweibchens. Freundlich streichelte er ihre Wange, wandte sich von ihr und verschwand vor der EnttXuschten leichtfXig in das BambusgehXlze. An diesem Tage erreichte er vor Abend eine groXe Stadt, und freute sich, denn er begehrte nach Menschen. Lange hatte er in den WXldern gelebt, und die stroherne HXtte des FXhrmanns, in welcher er diese Nacht geschlafen hatte, war seit langer Zeit das erste Dach, das er Xber sich gehabt hatte. Vor der Stadt, bei einem schXnen umzXunten Haine, begegnete dem Wandernden ein kleiner Tross von Dienern und Dienerinnen, mit KXrben beladen. Inmitten in einer geschmXckten SXnfte, von Vieren getragen, saX auf roten Kissen unter einem bunten Sonnendach eine Frau, die Herrin. Siddhartha blieb beim Eingang des Lusthaines stehen und sah dem Aufzuge zu, sah die Diener, die MXgde, die KXrbe, sah die SXnfte, und sah in der SXnfte die Dame. Unter hochgetXrmten schwarzen Haaren sah er ein sehr helles, sehr zartes, sehr kluges Gesicht, hellroten Mund wie eine frisch aufgebrochene Feige, Augenbrauen gepflegt und gemalt in hohen Bogen, dunkle Augen klug und wachsam, lichten hohen Hals aus grXn und goldenem Oberkleide steigend, ruhende helle HXnde lang und schmal mit breiten Goldreifen Xber den Gelenken. Siddhartha sah, wie schXn sie war, und sein Herz lachte. Tief verneigte er sich, als die SXnfte nahe kam, und sich wieder aufrichtend blickte er in das helle holde Gesicht, las einen Augenblick in den klugen hochXberwXlbten Augen, atmete einen Hauch von Duft, den er nicht kannte. LXchelnd nickte die schXne Frau, einen Augenblick, und verschwand im Hain, und hinter ihr die Diener. So betrete ich diese Stadt, dachte Siddhartha, unter einem holden Zeichen. Es zog ihn, sogleich in den Hain zu treten, doch bedachte er sich, und nun erst ward ihm bewusst, wie ihn die Diener und MXgde am Eingang betrachtet hatten, wie verXchtlich, wie misstrauisch, wie abweisend. Noch bin ich ein Samana, dachte er, noch immer, ein Asket und Bettler. Nicht so werde ich bleiben dXrfen, nicht so in den Hain treten. Und er lachte. Den nXchsten Menschen, der des Weges kam, fragte er nach dem Hain und nach dem Namen dieser Frau, und erfuhr, dass dies der Hain der Kamala war, der berXhmten Kurtisane, und dass sie auXer dem Haine ein Haus in der Stadt besaX. Dann betrat er die Stadt. Er hatte nun ein Ziel. Sein Ziel verfolgend, lieX er sich von der Stadt einschlXrfen, trieb im Strom der Gassen, stand auf PlXtzen still, ruhte auf Steintreppen am Flusse aus. Gegen den Abend befreundete er sich mit einem Barbiergehilfen, den er im Schatten eines GewXlbes hatte arbeiten sehen, den er betend in einem Tempel Vishnus wiederfand, dem er von den Geschichten Vishnu's und der Lakschmi erzXhlte. Bei den Booten am Flusse schlief er die Nacht, und frXh am Morgen, ehe die ersten Kunden in seinen Laden kamen, lieX er sich von dem Barbiergehilfen den Bart rasieren und das Haar beschneiden, das Haar kXmmen und mit feinem le salben. Dann ging er im Flusse baden. Als am SpXtnachmittag die schXne Kamala in der SXnfte sich ihrem Haine nXherte, stand am Eingang Siddhartha, verbeugte sich und empfing den GruX der Kurtisane. Demjenigen Diener aber, der zuletzt im Zuge ging, winkte er und bat ihn, der Herrin zu melden, dass ein junger Brahmane mit ihr zu sprechen begehre. Nach einer Weile kam der Diener zurXck, forderte den Wartenden auf, ihm zu folgen, fXhrte den ihm Folgenden schweigend in einen Pavillon, wo Kamala auf einem Ruhebette lag, und lieX ihn bei ihr allein. "Bist du nicht gestern schon da drauXen gestanden und hast mich begrXt?" fragte Kamala. "Wohl habe ich gestern schon dich gesehen und begrXt." "Aber trugst du nicht gestern einen Bart, und lange Haare, und Staub in den Haaren?" "Wohl hast du beobachtet, alles hast du gesehen. Du hast Siddhartha gesehen, den Brahmanensohn, welcher seine Heimat verlassen hat, um ein Samana zu werden, und drei Jahre lang ein Samana gewesen ist. Nun aber habe ich jenen Pfad verlassen, und kam in diese Stadt, und die erste, die mir noch vor dem Betreten der Stadt begegnete, warst du. Dies zu sagen, bin ich zu dir gekommen, o Kamala! Du bist die erste Frau, zu welcher Siddhartha anders als mit niedergeschlagenen Augen redet. Nie mehr will ich meine Augen niederschlagen, wenn eine schXne Frau mir begegnet." Kamala lXchelte und spielte mit ihrem FXcher aus Pfauenfedern. Und fragte: "Und nur um mir dies zu sagen, ist Siddhartha zu mir gekommen?" "Um dir dies zu sagen, und um dir zu danken, dass du so schXn bist. Und wenn es dir nicht missfXllt, Kamala, mXchte ich dich bitten, meine Freundin und Lehrerin zu sein, denn ich weiX noch nichts von der Kunst, in welcher du Meisterin bist." Da lachte Kamala laut. "Nie ist mir das geschehen, Freund, dass ein Samana aus dem Walde zu mir kam und von mir lernen wollte! Nie ist mir das geschehen, dass ein Samana mit langen Haaren und in einem alten zerrissenen Schamtuche zu mir kam! Viele JXnglinge kommen zu mir, und auch BrahmanensXhne sind darunter, aber sie kommen in schXnen Kleidern, sie kommen in feinen Schuhen, sie haben Wohlgeruch im Haar und Geld in den Beuteln. So, du Samana, sind die JXnglinge beschaffen, welche zu mir kommen." Sprach Siddhartha: "Schon fange ich an, von dir zu lernen. Auch gestern schon habe ich gelernt. Schon habe ich den Bart abgelegt, habe das Haar gekXmmt, habe Xl im Haare. Weniges ist, das mir noch fehlt, du Vortreffliche: feine Kleider, feine Schuhe, Geld im Beutel. Wisse, Schwereres hat Siddhartha sich vorgenommen, als solche Kleinigkeiten sind, und hat es erreicht. Wie sollte ich nicht erreichen, was ich gestern mir vorgenommen habe: dein Freund zu sein und die Freuden der Liebe von dir zu lernen! Du wirst mich gelehrig sehen, Kamala, Schwereres habe ich gelernt, als was du mich lehren sollst. Und nun also: Siddhartha genXgt dir nicht, so wie er ist, mit Xl im Haar, aber ohne Kleider, ohne Schuhe, ohne Geld?" Lachend rief Kamala: "Nein, Werter, er genXgt noch nicht. Kleider muss er haben, hXbsche Kleider, und Schuhe, hXbsche Schuhe, und viel Geld im Beutel, und Geschenke fXr Kamala. WeiXt du es nun, Samana aus dem Walde? Hast du es dir gemerkt?" "Wohl habe ich es mir gemerkt," rief Siddhartha. "Wie sollte ich mir nicht merken, was aus einem solchen Munde kommt! Dein Mund ist wie eine frisch aufgebrochene Feige, Kamala. Auch mein Mund ist rot und frisch, er wird zu deinem passen, du wirst sehen. X Aber sage, schXne Kamala, hast du gar keine Furcht vor dem Samana aus dem Walde, der gekommen ist, um Liebe zu lernen?" "Warum sollte ich denn Furcht vor einem Samana haben, einem dummen Samana aus dem Walde, der von den Schakalen kommt und noch gar nicht weiX, was Frauen sind?" "Oh, er ist stark, der Samana, und er fXrchtet nichts. Er kXnnte dich zwingen, schXnes MXdchen. Er kXnnte dich rauben. Er kXnnte dir weh tun." "Nein, Samana, das fXrchte ich nicht. Hat je ein Samana oder ein Brahmane gefXrchtet, einer kXnnte kommen und ihn packen und ihm seine Gelehrsamkeit, und seine FrXmmigkeit, und seinen Tiefsinn rauben? Nein, denn die gehXren ihm zu eigen und er gibt davon nur, was er geben will und wem er geben will. So ist es, genau ebenso ist es auch mit Kamala, und mit den Freuden der Liebe. SchXn und rot ist Kamalas Mund, aber versuche, ihn gegen Kamalas Willen zu kXssen, und nicht einen Tropfen SXigkeit wirst du von ihm haben, der so viel SXes zu geben versteht! Du bist gelehrig, Siddhartha, so lerne auch dies: Liebe kann man erbetteln, erkaufen, geschenkt bekommen, auf der Gasse finden, aber rauben kann man sie nicht. Da hast du dir einen falschen Weg ausgedacht. Nein, schade wXre es, wenn ein hXbscher JXngling wie du es so falsch angreifen wollte." Siddhartha verneigte sich lXchelnd. "Schade wXre es, Kamala, wie, sehr hast du Recht! Xberaus schade wXre es. Nein, von deinem Munde soll mir kein Tropfen SXigkeit verloren gehen, noch dir von dem meinen! Es bleibt also dabei: Siddhartha wird wiederkommen, wenn er hat, was ihm noch fehlt: Kleider, Schuhe, Geld. Aber sprich, holde Kamala, kannst du mir nicht noch einen kleinen Rat geben?" "Einen Rat? Warum nicht? Wer wollte nicht gerne einem armen, unwissenden Samana, der von den Schakalen aus dem Walde kommt, einen Rat geben?" "Liebe Kamala, so rate mir wohin soll ich gehen, dass ich am raschesten jene drei Dinge finde?" "Freund, das mXchten viele wissen. Du musst tun, was du gelernt hast, und dir dafXr Geld geben lassen, und Kleider, und Schuhe. Anders kommt ein Armer nicht zu Geld. Was kannst du denn?" "Ich kann denken. Ich kann warten. Ich kann fasten." "Nichts sonst?" "Nichts. Doch, ich kann auch dichten. Willst du mir fXr ein Gedicht einen Kuss geben?" "Das will ich tun, wenn dein Gedicht mir gefXllt. Wie heiXt es denn?" Siddhartha sprach, nachdem er sich einen Augenblick besonnen hatte, diese Verse: In ihren schattigen Hain trat die schXne Kamala, An Haines Eingang stand der braune Samana. Tief, da er die LotusblXte erblickte, Beugte sich jener, lXchelnd dankte Kamala. Lieblicher, dachte der JXngling, als GXttern zu opfern, Lieblicher ist es zu opfern der schXnen Kamala. Laut klatschte Kamala in die HXnde, dass die goldenen Armringe klangen. "SchXn sind deine Verse, brauner Samana, und wahrlich, ich verliere nichts, wenn ich dir einen Kuss fXr sie gebe." Sie zog ihn mit den Augen zu sich, er beugte sein Gesicht auf ihres, und legte seinen Mund auf den Mund, der wie eine frisch aufgebrochene Feige war. Lange kXsste ihn Kamala, und mit tiefem Erstaunen fXhlte Siddhartha, wie sie ihn lehrte, wie sie weise war, wie sie ihn beherrschte, ihn zurXckwies, ihn lockte, und wie hinter diesem ersten eine lange, eine wohlgeordnete, wohlerprobte Reihe von KXssen stand, jeder vom andern verschieden, die ihn noch erwarteten. Tief atmend blieb er stehen, und war in diesem Augenblick wie ein Kind erstaunt Xber die FXlle des Wissens und Lernenswerten, die sich vor seinen Augen erschloss. "Sehr schXn sind deine Verse," rief Kamala, "wenn ich reich wXre, gXbe ich dir GoldstXcke dafXr. Aber schwer wird es dir werden, mit Versen so viel Geld zu erwerben, wie du brauchst. Denn du brauchst viel Geld, wenn du Kamalas Freund sein willst." "Wie kannst du kXssen, Kamala!" stammelte Siddhartha. "Ja, das kann ich schon, darum fehlt es