Der Mund läuft leer. Die Schweigsamkeit besteht aus neunzehn Sorten. (Wenn nicht aus mehr.) Vom Anblick ihrer Seelen und Krawatten wurden sie bös. Sie sind wie Grammophone mit drei Platten. Das macht nervös. Wie oft sah man einander beim Betrügen voll ins Gesicht! Man kann zur Not das eigne Herz belügen, das andre nicht. Sie lebten feig und wurden unansehnlich. Jetzt sind sie echt. Sie sind einander zum Erschrecken ähnlich. Und das mit Recht. Sie wurden stumpf wie Tiere hinterm Gitter. Sie flohen nie. Und manchmal steht vorm Käfige ein Dritter. Der ärgert sie. Nachts liegen sie gefangen in den Betten und stöhnen sacht, während ihr Traum aus Bett und Kissen Ketten und Särge macht. Sie mögen gehen, sitzen oder liegen, sie sind zu zweit. Man sprach sich aus. Man hat sich ausgeschwiegen. Nun ist es Zeit... In der Seitenstraße Hier ist es dunkel. Komm noch etwas näher. Hier ist es fast, als wäre man im Wald. Was soll man andres tun als Europäer? Die Stadt ist groß, und klein ist das Gehalt. Man liest manchmal in seltsamen Romanen von Inseln, wo fast keine Menschen sind. Dort gibt es Palmen statt der Straßenbahnen. Und kleine Affen schaukeln sich im Wind. Und an das Ufer spülen manchmal Fässer. Darin ist Cornedbeef und Pilsner Bier. Dort haben es die Liebespaare besser! Wir sind nicht dort, mein Kerlchen, sondern hier. Hier stört man uns, als täte man's zum Spaße. Die Städte schrein und platzen vor Betrieb. Da stehn wir nun in einer Seitenstraße und haben uns "nur zur Verrechnung" lieb. Es sieht fast aus, als wollten wir wen meucheln. Dabei ist unsere Absicht gar nicht bös. Ein bißchen küssen ... Und ein bißchen streicheln. Ach, wer sich liebt, den macht Berlin nervös. Was hilft das alles? Reizend war es heute. Vermutlich kriegst du wieder Krach zu Haus. Es ist, als wohnten hier gar keine Leute. Na ja, und ich muß morgen zeitig raus. Ich bringe dich noch bis zur Haltestelle. Gleich ist es Zeit. Gleich kommt dein Autobus. Hast du mich lieb? Gib mir noch einen Kuß. Und Mittwoch sehn wir uns. Auf alle Fälle. Nun aber Schluß! Kurzgefaßter Lebenslauf Wer nicht zur Welt kommt, hat nicht viel verloren. Er sitzt im All auf einem Baum und lacht. Ich wurde seinerzeit als Kind geboren, eh ich's gedacht. Die Schule, wo ich viel vergessen habe, bestritt seitdem den größten Teil der Zeit. Ich war ein patentierter Musterknabe. Wie kam das bloß? Es tut mir jetzt noch leid. Dann gab es Weltkrieg, statt der Großen Ferien. Ich trieb es mit der Fußartillerie. Dem Globus lief das Blut aus den Arterien. Ich lebte weiter. Fragen Sie nicht, wie. Bis dann die Inflation und Leipzig kamen. Mit Kant und Gotisch, Börse und Büro, mit Kunst und Politik und jungen Damen. Und sonntags regnete es sowieso. Nun bin ich beinah vierzig Jahre und habe eine kleine Versfabrik. Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare, und meine Freunde werden langsam dick. Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle. Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen. Ich gehe durch die Gärten der Gefühle, die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen. Auch ich muß meinen Rucksack selber tragen! Der Rucksack wächst. Der Rücken wird nicht breiter. Zusammenfassend läßt sich etwa sagen: Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter. Kleine Stadt am Sonntagmorgen Das Wetter ist recht gut geraten. Der Kirchturm träumt vom lieben Gott. Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten und auch ein bißchen nach Kompott. Am Sonntag darf man lange schlafen. Die Gassen sind so gut wie leer. Zwei alte Tanten, die sich trafen, bestreiten rüstig den Verkehr. Sie führen wieder mal die alten Gespräche, denn das hält gesund. Die Fenster gähnen sanft und halten sich die Gardinen vor dem Mund. Der neue Herr Provisor lauert auf sein gestärktes Oberhemd. Er flucht, weil es so lange dauert. Man merkt daran: Er ist hier fremd. Er will den Gottesdienst besuchen, denn das erheischt die Tradition. Die Stadt ist klein. Man soll nicht fluchen. Pauline bringt das Hemd ja schon! Die Stunden machen kleine Schritte und heben ihre Füße kaum. Die Langeweile macht Visite. Die Tanten flüstern über Dritte. Und drüben, auf des Marktes Mitte, schnarcht leise der Kastanienbaum. Exemplarische Herbstnacht Nachts sind die Straßen so leer. Nur ganz mitunter markiert ein Auto Verkehr. Ein Rudel bunter, raschelnder Blätter jagt hinterher. Die Blätter jagen und hetzen. Und doch weht kein Wind. Sie rascheln wie Fetzen und hetzen und folgen geheimen Gesetzen, obwohl sie gestorben sind. Nachts sind die Straßen so leer. Die Lampen brennen nicht mehr. Man geht und möchte nicht stören. Man könnte das Gras wachsen hören, wenn Gras auf den Straßen wär. Der Himmel ist kalt und weit. Auf der Milchstraße hat's geschneit. Man hört seine Schritte wandern, als wären es Schritte von ändern, und geht mit sich selbst zu zweit. Nachts sind die Straßen so leer. Die Menschen legten sich nieder. Nun schlafen sie, treu und bieder. Und morgen fallen sie wieder übereinander her. Die Heimkehr des verlorenen Sohnes Erst wollte er bis ans Mittelmeer. Er war schon auf halber Strecke und stieg im Schnee und in Innsbruck umher. Der Himmel war blau. Das gefiel ihm sehr. Und er staunte an jeder Ecke. Dann hatte er noch zehn Tage Zeit und wollte nach Nizza reisen. Er war vergnügt wie nicht gescheit und lachte und dachte: Die Welt ist zwar weit, doch ich werde ihr's schon beweisen. So kam der Tag, an dem er fuhr. Es war schon alles in Butter. Da blickte er plötzlich erstaunt auf die Uhr und pfiff auf Nizza und die Natur und reiste zu seiner Mutter. Die Fahrt erschien ihm wunderbar. Er winkte jedem Flüßchen. Es war schon über ein volles Jahr, daß er nicht mehr zu Hause war. Und da schämte er sich ein bißchen. Dann kam er an und stieg schnell aus, mit seinen Koffern und Taschen. Er kaufte Blumen und fuhr nach Haus und sagte versteckt hinterm Blumenstrauß: "Ich wollte dich überraschen." Jetzt saß er zwar nicht m Nizza und Cannes, doch er saß in Mutters Zimmer. Sie schwieg und lachte dann und wann und erzählte und brachte Kuchen an und betrachtete ihn immer ... Zehn ganze Tage blieb er hier! Bis zur allerletzten Minute. Dann fuhr er fort und winkte ihr. Sie stand verlassen am Bahnsteig 4 und sagte gerührt: "Der Gute." Verzweiflung Nr. I Ein kleiner Junge lief durch die Straßen und hielt eine Mark in der heißen Hand. Es war schon spät, und die Kaufleute maßen mit Seitenblicken die Uhr an der Wand. Er hatte es eilig. Er hüpfte und summte: "Ein halbes Brot. Und ein Viertelpfund Speck." Das klang wie ein Lied. Bis es plötzlich verstummte. Er tat die Hand auf. Das Geld war weg. Da blieb er stehen und stand im Dunkeln. In den Ladenfenstern erlosch das Licht. Es sieht zwar gut aus, wenn die Sterne funkeln. Doch zum Suchen von Geld reicht das Funkeln nicht. Als wolle er immer stehenbleiben, stand er. Und war, wie noch nie, allein. Die Rolläden klapperten über die Scheiben. Und die Laternen nickten ein. Er öffnete immer wieder die Hände. Und drehte sie langsam hin und her. Dann war die Hoffnung endlich zu Ende. Er öffnete seine Fäuste nicht mehr... Der Vater wollte zu essen haben. Die Mutter hatte ein müdes Gesicht. Sie saßen und warteten auf den Knaben. Der stand im Hof. Sie wußten es nicht. Der Mutter wurde allmählich bange. Sie ging ihn suchen. Bis sie ihn fand. Er lehnte still an der Teppichstange und kehrte das kleine Gesicht zur Wand. Sie fragte erschrocken, wo er denn bliebe. Da brach er in lautes Weinen aus. Sein Schmerz war größer als ihre Liebe. Und beide traten traurig ins Haus. Höhere Töchter im Gespräch Die Eine sitzt. Die Andre liegt. Sie reden viel. Die Zeit verfliegt. Das scheint sie nicht zu stören. Die Eine liegt. Die Andre sitzt. Sie reden viel. Das Sofa schwitzt und muß viel Dummes hören. Sie sind sehr wirkungsvoll gebaut und haben ausgesuchte Haut. Was mag der Meter kosten? Sie sind an allen Ecken rund. Sie sind bemalt, damit der Mund und die Figur nicht rosten. Ihr Duft erinnert an Gebäck. Das Duften ist ihr Lebenszweck, vom Scheitel bis zur Zehe. Bis beide je ein Mann mit Geld in seine gute Stube stellt. Das nennt man dann: Die Ehe. Sie knabbern Pralines und Zeit; von ihren Männern, Hut und Kleid und keine Kinder kriegend. So leben sie im Grunde nur als 44er Figur, teils sitzend und teils liegend. Ihr Kopf ist hübsch und ziemlich hohl. Sie fühlen sich trotzdem sehr wohl. Was läßt sich daraus schließen? Man schaut sie sich zwar gerne an, doch ganz gefielen sie erst dann, wenn sie das Reden ließen. Ein Baum läßt grüßen Man reist von einer Stadt zur ändern Stadt. Vier Schinkenbrote hat man schon gegessen. Der Zug fährt gut. Die Fahrt geht glatt. Man rechnet aus, ob man Verspätung hat, und fühlt sich frei von höhern Interessen. Man blickt durchs Fenster. Gänzlich ohne Zweck. Man könnte ebenso die Augen schließen. Dann schielt man nach dem Handgepäck. Am Zug tanzt Schnee vorbei. Ein Dorf im Dreck. Und Rhomboide. Doch das sind sonst Wiesen. Man gähnt. Und ist zu faul, die Hand zu nehmen. Man überlegt schon, ob man müde ist... Die Dame rechts soll sich was schämen! Wenn ihre Hüften bloß nicht näher kämen! Wie schnell der Mensch das Müdesein vergißt. Man überlegt sich, ob man ihr entweiche. Sie lehnt sich an. Und tut, als war's im Traum. Da sieht man draußen plötzlich eine Eiche! Es kann auch Ahorn sein. Das ist das Gleiche. Denn eins steht fest: Es ist ein Baum! Und da entsinnt man sich. Und ist entsetzt: Seit zwanzig Jahren sah man keine Felder! Das heißt, man sah sie wohl. Doch nicht wie jetzt! Wann sah man denn ein Blumenbeet zuletzt? Und wann zum letzten Male Birkenwälder? Man hat vergessen, daß es Gärten gibt. Und kleine Vögel drin, die abends flöten. Und blaue Veilchen, die die Mutter liebt... Und während sich die Dame näherschiebt, greift man gefaßt zu weitren Schinkenbröten. Wiegenlied, väterlicherseits Schlaf ein, mein Kind! Schlaf ein, mein Kind! Man hält uns für Verwandte. Doch ob wir es auch wirklich sind? Ich weiß es nicht, schlaf ein, mein Kind! Mama ist bei der Tante ... Schlaf ein, mein Kind! Sei still! Schlaf ein! Man kann nichts Klügres machen. Ich bin so groß. Du bist so klein. Wer schlafen kann, darf glücklich sein. Wer schlafen darf, kann lachen. Nachts liegt man neben einer Frau, die sagt: Laß mich in Ruhe! Sie liebt mich nicht. Sie ist so schlau. Sie hext mir meine Haare grau. Wer weiß, was ich noch tue. Schlaf ein, mein Kind! Mein Kindchen, schlaf! Du hast nichts zu versäumen. Man träumt vielleicht, man war ein Graf. Man träumt vielleicht, die Frau war brav. Es ist so schön, zu träumen... Man schuftet, liebt und lebt und frißt und kann sich nicht erklären, wozu das alles nötig ist! Sie sagt, daß du mir ähnlich bist. Mag sich zum Teufel scheren! Der hat es gut, den man nicht weckt. Wer tot ist, schläft am längsten. Wer weiß, wo deine Mutter steckt! Sei ruhig. Hab ich dich erschreckt? Ich wollte dich nicht ängsten. Vergiß den Mond! Schlaf ein, mein Kind! Und laß die Sterne scheinen. Vergiß auch mich. Vergiß den Wind! Nun gute Nacht! Schlaf ein, mein Kind! Und, bitte, laß das Weinen ...! Kalenderspruch Vergiß in keinem Falle, auch dann nicht, wenn Vieles mißlingt: Die Gescheiten werden nicht alle! (So unwahrscheinlich das klingt.) Genesis der Niedertracht Eines merkt man stündlich und täglich: Kinder sind hübsch und offen und gut, aber Erwachsene sind unerträglich. Manchmal nimmt uns das allen Mut. Böse und häßliche alte Leute waren als Kinder fast tadellos. Nette und reizende Kinder von heute werden später kleinlich und groß. Wie ist das möglich? Was soll das heißen? Sind denn die Kinder auch nur echt, wenn sie den Fliegen die Flügel ausreißen? Sind denn auch schon die Kinder schlecht? Jeder Charakter ist durch Zwei teilbar, da Gut und Böse beisammen sind. Doch die Bosheit ist unheilbar, und die Güte stirbt als Kind. Lob des Einschlafens Man gähnt vergnügt und löscht die Lampe aus. Nur auf der Straße ist noch etwas Licht. Man legt sich nieder. Doch man schläft noch nicht. Der Herr von nebenan kommt erst nach Haus. Man hört, wie er mit einer Dame spricht. Nun klappt man seine Augendeckel zu, und vor den Augen tanzen tausend Ringe. Man denkt noch rasch an Geld und solche Dinge. Im Nebenzimmer knarrt ein kleiner Schuh. Wenn doch die Dame in Pantoffeln ginge! Man legt den Kopf auf lauter kühle Kissen und lächelt in den dunklen Raum hinein. Wie schön das ist: Am Abend müde sein und schlafen dürfen und von gar nichts wissen! Und alle Sorgen sind wie Zwerge klein. Der Herr von nebenan ist froh und munter. Es klingt, als ob er ohne Anlaß lacht. Man hebt die Lider schwer und senkt sie sacht, und schließt die Augen, - und die Welt geht unter! Dann sagt man sich persönlich Gute Nacht. Wenn bloß der Schwarze dieses Mal nicht käme! Er steigt ins Bett und macht sich darin breit und geht erst wieder, wenn man furchtbar schreit. Man wünscht sich Träume, aber angenehme, und für Gespenster hat man keine Zeit. Man war einmal ein Kind, ist das auch wahr? Und sagte mühelos: "Mein Herz ist rein." Das würde heute nicht mehr möglich sein. Es geht auch so, auf eigene Gefahr. Man zählt bis dreiundsiebzig. Und schläft ein. Vorstadtstraßen Mit solchen Straßen bin ich gut bekannt. Sie fangen an, als wären sie zu Ende. Trinkt Magermilch! steht groß an einer Wand, als ob sich das hier nicht von selbst verstände. Es riecht nach Fisch, Kartoffeln und Benzin. In diesen Straßen dürfte niemand wohnen. Ein Fenster schielt durch schräge Jalousien. Und welke Blumen blühn auf den Balkonen. Die Häuser bilden Tag und Nacht Spalier und haben keine weitern Interessen. Seit hundert Jahren warten sie nun hier. Auf wen sie warten, haben sie vergessen. Die Nacht fällt wie ein großes altes Tuch, von Licht durchlöchert, auf die grauen Mauern. Ein paar Laternen gehen zu Besuch. Und vor den Kellern sieht man Katzen kauern. Die Häuser sind so traurig und so krank, weil sie die Armut auf den Straßen trafen. Aus einem Hof dringt ganz von ferne Zank. Dann decken sich die Fenster zu und schlafen. So sieht die Welt in tausend Städten aus! Und keiner weiß, wohin die Straßen zielen. An jeder zweiten Ecke steht ein Haus, in dem sie Skat und Pianola spielen. Ein Mann mit Sorgen geigt aus dritter Hand. Ein Tisch fällt um. Die Wirtin holt den Besen. Trinkt Magermilch! steht groß an einer Wand. (Doch in der Nacht kann das ja niemand lesen.) Elegie, ohne große Worte Man kann sich selber manchmal gar nicht leiden und möchte sich vor Wut den Rücken drehn. Wer will, ob das berechtigt ist, entscheiden? Doch wer sich kennt, der wird mich schon verstehn. Wenn eine Straßenbahn vorüberfegte, kann es passieren, daß man sich höchst wundert, warum man sich nicht einfach drunterlegte ... Und solche Fälle gibt es über hundert. Man muß sich stets die gleichen Hände waschen! Und wer Charakter hat, ist schon beschränkt! Womit soll man sich denn noch überraschen? Man muß schon gähnen, wenn man an sich denkt. Man hängt sich meterlang zum Hals heraus. In Worte läßt sich sowas gar nicht kleiden. Man blickt sich an - und hält den Blick nicht aus! Und kann sich (siehe oben!) selbst nicht leiden. Wie gerne wäre man dann dies oder das! Ein Bild, ein Buch, im Wald ein Meilenstein, ein Buschwindröschen oder sonst etwas! Behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein. Jedoch auch solche Tage gehn herum. Und man fährt fort, sich in die Brust zu werfen. Der Doktor nickt und sagt: Das sind die Nerven... Ja, wer zu klug wird, ist schon wieder dumm. Eine Mutter zieht Bilanz Mein Sohn schreibt mir so gut wie gar nicht mehr. Das heißt, zu Ostern hat er mir geschrieben. Er denke gern an mich zurück, schrieb er, und würde mich, wie stets, von Herzen lieben. Das letztemal, als wir uns beide sahn, das war genau vor zweidreiviertel Jahren. Ich stehe manchmal an der Eisenbahn, wenn Züge nach Berlin - dort wohnt er - fahren. Und einmal kaufte ich mir ein Billett und wäre beinah nach Berlin gekommen! Doch dann begab ich mich zum Schalterbrett. Dort hat man das Billett zurückgenommen. Seit einem Jahr, da hat er eine Braut. Das Bild von ihr will er schon lange schicken. Ob er mich kommen läßt, wenn man sie traut? Ich würde ihnen gern ein Kissen sticken. Man weiß nur nicht, ob ihr sowas gefällt... Ob sie ihn wohl, wie er's verdiente, liebt? Mir ist manchmal so einzeln auf der Welt. Ob es auch zärtlichere Söhne gibt? Wie war das schön, als wir zusammen waren! Im gleichen Haus... Und in der gleichen Stadt. Nachts lieg ich wach und hör die Züge fahren. Ob er noch immer seinen Husten hat? Ich hab von ihm noch ein Paar Kinderschuhe. Nun ist er groß und läßt mich so allein. Ich sitze still und habe keine Ruhe. Am besten war's, die Kinder blieben klein. Das Herz im Spiegel Der Arzt notierte eine Zahl. Er war ein gründlicher Mann. Dann sprach er streng: "Ich durchleuchte Sie mal", Und schleppte mich nebenan. Hier wurde ich zwischen kaltem Metall zum Foltern aufgestellt. Der Raum war finster wie ein Stall und außerhalb der Welt. Dann knisterte das Röntgenlicht. Der Leuchtschirm wurde hell. Und der Doktor sah mit ernstem Gesicht mir quer durchs Rippenfell. Der Leuchtschirm war seine Staffelei. Ich stand vor Ergriffenheit stramm. Er zeichnete eifrig und sagte, das sei mein Orthodiagramm. Dann brachte er ganz feierlich einen Spiegel und zeigte mir den und sprach: "In dem Spiegel können Sie sich Ihr Wurzelwerk ansehn." Ich sah, wobei er mir alles beschrieb, meine Anatomie bei Gebrauch. Ich sah mein Zwerchfell im Betrieb und die atmenden Rippen auch. Und zwischen den Rippen schlug sonderbar ein schattenhaftes Gewächs. Das war mein Herz! Es glich aufs Haar einem zuckenden Tintenklecks. Ich muß gestehn, ich war verstört. Ich stand zu Stein erstarrt. Das war mein Herz, das dir gehört, geliebte Hildegard? Laß uns vergessen, was geschah, und mich ins Kloster gehn. Wer nie sein Herz im Spiegel sah, der kann das nicht verstehn. Kind, das Vernünftigste wird sein, daß du mich rasch vergißt. Weil so ein Herz wie meines kein Geschenkartikel ist. Gefährliches Lokal Mir träumte neulich, daß mein Stammcafé auf einer Insel unter Palmen stünde. Persönlich kenne ich bloß Warnemünde. Doch Träume reisen gern nach Übersee. Ich saß am Fenster und versank in Schweigen. Wo sonst die Linie 56 hält, war eine Art von Urwald aufgestellt. Und Orang-Utans hingen in den Zweigen. Sie waren sicher noch nicht lange da. So leicht verändern sich die Metermaße! Bevor ich kam, war's noch die Prager Straße. Man setzt sich hin, schon ist es Sumatra. Erst wollte ich den Oberkellner fragen, dann dachte ich, es hätte keinen Zweck. Was soll ein Kellner, namens Urbanek, selbst wenn er wollte, weiter dazu sagen? Dann ging die Tür. Das war der Doktor Uhl. Und hinter ihm erschien ein schwarzer Panther. Der setzte sich, als sei er ein Bekannter, an meinem Tisch auf einen leeren Stuhl. Ich fragte ihn betreten, ob er rauche. Er sah mich an. Und sagte keinen Ton. Dann kam der Wirt in eigener Person und kitzelte den seltenen Gast am Bauche. Der Ober brachte Erbspüree mit Speck. Er hatte große Angst und ging auf Zehen. Der Panther ließ das gute Essen stehen und fraß den Kellner. Armer Urbanek! Von oben drang der Klang der Billardbälle. Der schwarze Panther war noch beim Diner. Ich saß bestürzt in meinem Stammcafé. Und sah nur Wald. Und keine Haltestelle. Weil man mich dann zum Telephone rief (ein Kunde wollte mich geschäftlich sprechen), war ich genötigt, plötzlich aufzubrechen. Als ich zurückkam, sah ich, daß ich schlief... Möblierte Melancholie Mancher Mann darf, wie er möchte, schlafen. Und er möchte selbstverständlich gern! Andre Menschen will der Himmel strafen, und er macht sie zu möblierten Herrn. Er verschickt sie zu verkniffnen Damen. In Logis. Und manchmal in Pension. Blöde Bilder wollen aus den Rahmen. Und die Möbel sagen keinen Ton. Selbst das Handtuch möchte sauber bleiben. Dreimal husten kostet eine Mark. Um die alten Schachteln zu beschreiben, ist kein noch so starkes Wort zu stark. Das Klavier, die Köpfe und die Stühle sind aus Überzeugung stets verstaubt. Und die Nutzanwendung der Gefühle ist den Aftermietern nicht erlaubt. Und sie nicken nur noch wie die Puppen; denn der Mund ist nach und nach vereist. Untermieter sind Besatzungstruppen in dem Reiche, das Familie heißt. Alles, was erlaubt ist, ist verboten. Wer die Liebe liebt, muß in den Wald. Oder macht, noch besser, einen Knoten in sein Maskulinum. Und zwar bald. Die möblierten Herrn aus allen Ländern stehen fremd und stumm in ihrem Zimmer. Nur die Ehe kann den Zustand ändern. (Doch die Ehe ist ja noch viel schlimmer.) Der geregelte Zeitgenosse Hei, wie er die Zukunft auswendig wußte! Er kannte die Höhe der Summe genau, die man den Kindern und seiner Frau nach seinem Tod auszahlen mußte. Er war berühmt als Vater und Gatte, der Leben und Sterben und Diebstahl und Brand versicherungsrechtlich geregelt hatte. Er hatte das Schicksal glatt in der Hand. Und wenn sich die Achse der Erde verböge: Er wußte, wieviel er am ersten Mai (vorausgesetzt, daß er am Leben sei) in zwanzig Jahren Gehalt bezöge. Gewohnheit umgab ihn mit hohen Mauern. Sie rückten immer näher heran. Und er begann, sich sehr zu bedauern. Nicht immer, aber dann und wann. Da half kein gesteigertes Innenleben. Er wußte, was sie morgen besprächen und was sie einander zur Antwort gäben und wann und wie sie sich unterbrächen. Das Lieben und Atmen und Zeitunglesen, das wurde alles zu einem Amt. Er war doch mal ein Mensch gewesen! Das war vorbei, und er dachte: Verdammt! Verschiedentlich faßte er Fluchtgedanken. Er dachte speziell an Amerika. Aber aus Angst, seine Frau könnte zanken, blieb er dann doch immer wieder da. Spruch in der Silvesternacht Man soll das Jahr nicht mit Programmen beladen wie ein krankes Pferd. Wenn man es allzu sehr beschwert, bricht es zu guter Letzt zusammen. Je üppiger die Pläne blühen, um so verzwickter wird die Tat. Man nimmt sich vor, sich zu bemühen, und schließlich hat man den Salat! Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen. Es nützt nichts, und es schadet bloß, sich tausend Dinge vorzunehmen. Laßt das Programm! Und bessert euch drauflos! Das Genie Der Mensch, der in die Zukunft springt, der geht zugrunde. Und ob der Sprung mißglückt, ob er gelingt, - der Mensch, der springt, geht vor die Hunde. Im Auto über Land An besonders schönen Tagen ist der Himmel sozusagen wie aus blauem Porzellan. Und die Federwolken gleichen weißen, zart getuschten Zeichen, wie wir sie auf Schalen sahn. Alle Welt fühlt sich gehoben, blinzelt glücklich schräg nach oben und bewundert die Natur. Vater ruft, direkt verwegen: "'n Wetter, glatt zum Eierlegen!" (Na, er renommiert wohl nur.) Und er steuert ohne Fehler über Hügel und durch Täler. Tante Paula wird es schlecht. Doch die übrige Verwandtschaft blickt begeistert in die Landschaft. Und der Landschaft ist es recht. Um den Kopf weht eine Brise von besonnter Luft und Wiese, dividiert durch viel Benzin. Onkel Theobald berichtet, was er alles sieht und sichtet. Doch man sieht's auch ohne ihn. Den Gesang nach Kräften pflegend und sich rhythmisch fortbewegend strömt die Menschheit durchs Revier. Immer rascher jagt der Wagen. Und wir hören Vätern sagen: "Dauernd Wald, und nirgends Bier." Aber schließlich hilft sein Suchen. Er kriegt Bier. Wir kriegen Kuchen. Und das Auto ruht sich aus. Tante schimpft auf die Gehälter. Und allmählich wird es kälter. Und dann fahren wir nach Haus. Gedanken beim Überfahrenwerden Halt, mein Hut! Ist das das Ende? Groß ist so ein Autobus. Und wo hab ich meine Hände? Daß mir das passieren muß. Artur wohnt gleich in der Nähe. Und es regnet. Hin ist hin. Wenn mich Dorothee so sähe! Gut, daß ich alleine bin. Hab ich die Theaterkarten, als ich fortging, eingesteckt? Pasternak wird auf mich warten. Der Vertrag war fast perfekt. Ist der Schreibtisch fest verschlossen? Ohne mich macht Schwarz bankrott. Gestern noch auf stolzen Rossen. Morgen schon beim lieben Gott. Bitte, nicht nach Hause bringen! Dorothee erschrickt zu sehr. Wer wird den Mephisto singen? Na, ich hör ihn ja nicht mehr. Und ich hab natürlich meinen guten blauen Anzug an. Anfangs wird sie furchtbar weinen. Und dann kommt der nächste Mann. Weitergehen! Das Gewimmel hat doch wirklich keinen Sinn. Hoffentlich gibt's keinen Himmel. Denn da passe ich nicht hin. Das Begräbnis erster Klasse, mit Musik und echtem Sarg... Dodo, von der Sterbekasse kriegst du zirka tausend Mark. Andre würden gerne sterben. Noch dazu in voller Fahrt. Nur die Möbel wirst du erben. Wenn ich wenigstens gespart -- Dann erschien ein Arzt in Eile. Doch es hatte keinen Zweck. Anstandshalber blieb er eine Weile. Und dann ging er wieder weg. Prima Wetter Wo sind die Tage, die so traurig waren und deren Traurigkeit uns so bezwang? Die Sonne scheint. Das Jahr ist sich im klaren. Es ist, um schreiend aus der Haut zu fahren und als Ballon den blauen Himmel lang! Die grünen Bäume sind ganz frisch gewaschen. Der Himmel ist aus riesenblauem Taft. Die Sonnenstrahlen spielen kichernd Haschen. Man sitzt und lächelt, zieht das Glück auf Flaschen und lebt mit sich in bester Nachbarschaft. Man könnte, denkt man, wenn man wollte, fliegen. Vom Stuhle fort. Mit Kuchen und Kaffee. Auf weißen Wolken wie auf Sofas liegen und sich gelegentlich vornüber biegen und denken: "Also das dort ist die Spree." Man könnte sich mit Blumen unterhalten und Wiesen streicheln wie sein Fräulein Braut. Man könnte sich in tausend Teile spalten und vor Begeisterung die Hände falten. Sie sind nur gar nicht mehr dafür gebaut. Man zieht sich voller Zweifel an den Haaren. Die Sonne scheint, als hätte es wieder Sinn. Wo sind die Tage, die so traurig waren? Es ist, um förmlich aus der Haut zu fahren. Die größte Schwierigkeit ist nur: Wohin? Direktor Körner ist unaufmerksam Manchmal, wenn ernste Männer beisammen stehn und auch du stehst mit dabei, möchtest du leise beiseite gehn. Wohin? Einerlei. Du möchtest nur rasch den Bart ablegen und die Falten von deiner Stirn und das große und kleine Gehirn und dich dann nicht mehr bewegen. Und es fehlte nur noch Mutters Schürze. Die war so weich und so hell. Die Kindheit litt an zu großer Kürze. Es ging zu schnell. Und während du in dich verloren scheinst, stehen noch immer die Männer herum. Sie reden und reden, nur du bist stumm. Und sie fragen, was du dazu meinst. "Zu kurz!" sagst du, und du sagst das so, weil dir die Kindheit zu kurz erschien. Sie aber meinen den Zahlungstermin für Schimmel & Co. Da ruft der eine, er steht breitbeinig und stemmt seinen Bauch: "Da wären wir ja handelseinig, Körner meint's auch!" Er hat, was du gesprochen hast, nicht kapiert, doch auch das hat sein Gutes. Hauptsache, daß es trotzdem paßt. Und das tut es. Junggesellen sind auf Reisen Ich bin mit meiner Mutter auf der Reise... Wir fuhren über Frankfurt, Basel, Bern zum Genfer See. Und dann ein Stück im Kreise. Die Mutter schimpfte manchmal auf die Preise. Jetzt sind wir in Luzern. Die Schweiz ist schön. Man muß sich dran gewöhnen. Man fährt auf Berge. Und man fährt auf Seen. Und manchmal schmerzt der Leib von all dem Schönen. Man trifft es oft, daß Mütter mit den Söhnen auf Reisen gehn. Das ist ein Glück: mit seiner Mutter fahren! Weil Mütter doch die besten Frauen sind. Sie reisten mit uns, als wir Knaben waren, und reisen nun mit uns, nach vielen Jahren, als wären sie das Kind. Sie lassen sich die höchsten Gipfel zeigen. Die Welt ist wieder wie ein Bilderbuch. Sie können, wenn ein See ganz blau wird, schweigen und haben stets, wenn sie in Züge steigen, Angst um das Umschlagtuch. Erst ist man sich noch etwas fremd. Wie immer, seit man fern voneinander leben muß. Jetzt schläft man, wie dereinst, im selben Zimmer. Und sagt: "Schlaf wohl!" Und löscht den Lampenschimmer. Und gibt sich einen Kuß. Doch eh man's lernt, ist es zu Ende! Wir bringen unsre Mütter bis nach Haus. Frau Haubold sagt, daß sie das reizend fände. Dann schütteln wir den Müttern kurz die Hände und fahren wieder in die Welt hinaus. Ganz vergebliches Gelächter Eines Tages fällt ihm plötzlich auf, daß er schon seit langem nicht mehr lachte. Und nun prüft er seinen Lebenslauf, was er denn inzwischen machte. Manchmal, weiß er noch, war alles Sünde, manchmal hat er wie ein Vieh geflucht. Manchmal suchte er für alles Gründe, wie man Kragenknöpfe sucht. Doch nun will er lustig sein und lachen! Früher hat er das ganz gut gebracht. Und er wird es jetzt wie früher machen, und er stellt sich hin - und lacht. Ach, es ist ein schreckliches Gelächter! Er erschrickt und wird schnell wieder stumm. Warum, fragt er sich, klang es nicht echter? Und er weiß es nicht, warum. Und er geht dorthin, wo viele sitzen, weil er hofft, er würde dann wie sie. Und sie freuen sich an tausend Witzen -- nur er selber lächelt nie. Er beschließt, sich einmal zu vergeuden. Doch da spürt er, angesichts der Stadt, daß er mit der Freude und den Freuden so etwas wie Mitleid hat. Dieser falsche Hochmut drückt ihn nieder, und er sagt zu seiner Seele: Prost! Nicht mehr froh zu sein und noch nicht wieder, dafür weiß er keinen Trost. Schließlich springt er auf den Autobus und fährt blindlings in die späte Nacht. Und er ahnt, daß er noch warten muß, bis er ganz von selber wieder lacht. Trottoircafé bei Nacht Hinter sieben Palmenbesen, die der Wirt im Ausverkauf erstand, sitzt man und kann seine Zeitung lesen, und die Kellner lehnen an der Wand. An den Garderobenständern schaukeln Hüte, und der Abendwind möchte sie in Obst verändern. Aber Hüte bleiben, was sie sind. Sterne machen Lichtreklame. Leider weiß man nicht genau für wen. Und die Nacht ist keine feine Dame, sondern läßt uns ihr Gewölbe sehn. In der renommierten Küche brät der dicke Koch Filet und Fisch. Und er liefert sämtliche Gerüche seiner Küche gratis an den Tisch. Wenn man jetzt in einer Wiese läge, und ein Reh trat aus dem Wald, seine erste Frage wäre diese: "Kästner, pst! Wie hoch ist Ihr Gehalt?" Also bleibt man traurig hocken und hält Palmen quasi für Natur. Fliegen setzen sich auf süße Brocken. Und der Mond ist nur die Rathausuhr. Sieben Palmen wedeln mit den Fächern, denn auch ihnen wird es langsam heiß. Und die Nacht sitzt dampfend auf den Dächern. Und ein Gast bestellt Vanille-Eis. Selbstmörder halten Asternbuketts Wie oft man in der Zeitung liest, daß der und der - weil er Geld unterschlug, zur Flucht zu wenig, fürs Zuchthaus genug -- sich am Grabe der Mutter erschießt. Die Selbstmörder sitzen am Elterngrab, auf der kleinen, grünen Bank, verstehen nicht mehr, wie sich alles begab, und fühlen sich alt und krank. Sie sagten, ehe sie gingen, zu Haus (als jemand sie fragte, warum), sie brächten nur rasch ein paar Blumen hinaus, und nicht: sie brächten sich um. Die Selbstmörder halten ein Asternbukett und lesen den Text auf dem Stein: "Hier ruht unsre gute Mutter, Frau Z.", und denken, sie wird es verzeihn. Am anderen Ende der Ahornallee ist ein Begräbnis im Gang. Sie sehen Zylinder und fremdes Weh und hören Männergesang. Die Selbstmörder lächeln die Mutter an, die unter dem Rasen ruht. Daß ein toter Mensch nicht mehr sehen kann, finden die Selbstmörder gut. Das Wetter ist mäßig. Der Himmel ist grau. Sie haben vom Leben genug. Sie beichten alles der toten Frau, und das ist ein schöner Zug. Sie haben Pistolen zu sich gesteckt, weil sehr viel Schande droht. Und ehe man noch ihre Schuld entdeckt, schießen sie sich tot... Wie oft man in der Zeitung liest, daß der und der -- weil er Geld unterschlug und seine Angst nicht länger ertrug -- sich am Grabe der Mutter erschießt. Nächtliches Rezept für Städter Man nehme irgendeinen Autobus. Es kann nicht schaden, einmal umzusteigen. Wohin, ist gleich. Das wird sich dann schon zeigen. Doch man beachte, daß es Nacht sein muß. In einer Gegend, die man niemals sah (das ist entscheidend für dergleichen Fälle), verlasse man den Autobus und stelle sich in die Finsternis und warte da. Man nehme allem, was zu sehn ist, Maß. Den Toren, Giebeln, Bäumen und Balkonen, den Häusern und den Menschen, die drin wohnen. Und glaube nicht, man täte es zum Spaß. Dann gehe man durch Straßen. Kreuz und quer. Und folge keinem vorgefaßten Ziele. Es gibt so viele Straßen, ach so viele! Und hinter jeder Biegung sind es mehr. Man nehme sich bei dem Spaziergang Zeit. Er dient gewissermaßen höhern Zwecken. Er soll das, was vergessen wurde, wecken. Nach zirka einer Stunde ist's soweit. Dann wird es sein, als liefe man ein Jahr durch diese Straßen, die kein Ende nehmen. Und man beginnt, sich seiner selbst zu schämen und seines Herzens, das verfettet war. Nun weiß man wieder, was man wissen muß, statt daß man in Zufriedenheit erblindet: daß man sich in der Minderheit befindet! Dann nehme man den letzten Autobus, bevor er in der Dunkelheit verschwindet... Eine Frau spricht im Schlaf Als er mitten in der Nacht erwachte, schlug sein Herz, daß er davor erschrak. Denn die Frau, die neben ihm lag, lachte, daß es klang, als sei der Jüngste Tag. Und er hörte ihre Stimme klagen. Und er fühlte, da&szli