en hat. Ich kann mir bloß nichts vorstellen. Was ich an Muglichem sehe, diesen ganzen Betrieb mit Beruf und Studium und Gehalt und so weiter - das kotzt mich an, denn das war ja immer schon da und ist widerlich. Ich finde nichts - ich finde nichts, Albert." Mit einemmal scheint mir alles aussichtslos und verzweifelt. Kropp denkt ebenfalls daruber nach. Es wird uberhaupt schwer werden mit uns allen. Ob die sich in der Heimat eigentlich nicht manchmal Sorgen machen deswegen? Zwei Jahre Schießen und Handgranaten - das kann man doch nicht ausziehen wie einen Strumpf nachher -" Wir stimmen darin uberein, daß es jedem uhnlich geht; nicht nur uns hier; uberall, jedem, der in der gleichen Lage ist, dem einen mehr, dem andern weniger. Es ist das gemeinsame Schicksal unserer Generation. Albert spricht es aus. "Der Krieg hat uns fur alles verdorben." Er hat recht. Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr sturmen. Wir sind Fluchtende. Wir fluchten vor uns. Vor unserem Leben. Wir waren achtzehn Jahre und begannen die Welt und das Dasein zu lieben; wir mußten darauf schießen. Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz. Wir sind abgeschlossen vom Tutigen, vom Streben, vom Fortschritt. Wir glauben nicht mehr daran; wir glauben an den Krieg. Die Schreibstube wird lebendig. Himmelstoß scheint sie alarmiert zu haben. An der Spitze der Kolonne trabt der dicke Feldwebel. Komisch, daß fast alle etatsmußigen Feldwebel dick sind. Ihm folgt der rachedurstende Himmelstoß. Seine Stiefel glunzen in der Sonne. Wir erheben uns. Der Spieß schnauft: "Wo ist Tjaden?" Naturlich weiß es keiner. Himmelstoß glitzert uns buse an. "Bestimmt wißt ihr es. Wollt es bloß nicht sagen. Raus mit der Sprache." Der Spieß sieht sich suchend um; Tjaden ist nirgendwo zu erblicken. Er versucht es andersherum. "In zehn Minuten soll Tjaden sich auf der Schreibstube melden." Damit zieht er davon, Himmelstoß in seinem Kielwasser. "Ich habe das Gefuhl, daß mir beim nuchsten Schanzen eine Drahtrolle auf die Beine von Himmelstoß fallen wird", vermutet Kropp. "Wir werden an ihm noch viel Spaß haben", lacht Muller. Das ist nun unser Ehrgeiz: einem Brieftruger die Meinung stoßen. - Ich gehe in die Baracke und sage Tjaden Bescheid, damit er verschwindet. Dann wechseln wir unsern Platz und lagern uns wieder, um Karten zu spielen. Denn das kunnen wir: Kartenspielen, fluchen und Krieg fuhren. Nicht viel fur zwanzig Jahre - zuviel fur zwanzig Jahre. Nach einer halben Stunde ist Himmelstoß erneut bei uns. Niemand beachtet ihn. Er fragt nach Tjaden. Wir zucken die Achseln. "Ihr solltet ihn doch suchen", beharrt er. "Wieso ihr?" erkundigt sich Kropp. "Na, ihr hier -" "Ich muchte Sie bitten, uns nicht zu duzen", sagt Kropp wie ein Oberst. Himmelstoß fullt aus den Wolken. "Wer duzt euch denn?" "Sie!" "Ich?" "Ja." Es arbeitet in ihm. Er schielt Kropp mißtrauisch an, weil er keine Ahnung hat, was der meint. Immerhin traut er sich in diesem Punkte nicht ganz und kommt uns entgegen. "Habt ihr ihn nicht gefunden?" Kropp legt sich ins Gras und sagt: "Waren Sie schon mal hier draußen?" "Das geht Sie gar nichts an", bestimmt Himmelstoß. "Ich verlange Antwort." "Gemacht", erwidert Kropp und erhebt sich. "Sehen Sie mal dorthin, wo die kleinen Wulkchen stehen. Das sind die Geschosse der Flaks. Da waren wir gestern. Funf Tote, acht Verwundete .Dabei war es eigentlich ein Spaß. Wenn Sie nuchstens mit 'rausgehen, werden die Mannschaften, bevor sie sterben, erst vor Sie hintreten, die Knochen zusammenreißen und zackig fragen: Bitte wegtreten zu durfen! Bitte abkratzen zu durfen! Auf Leute wie Sie haben wir hier gerade gewartet." Er setzt sich wieder, und Himmelstoß verschwindet wie ein Komet. "Drei Tage Arrest", vermutet Kat. "Das nuchstemal lege ich los", sage ich zu Albert. Aber es ist Schluß. Dafur findet abends beim Appell eine Vernehmung statt. In der Schreibstube sitzt unser Leutnant Bertinck und lußt einen nach dem andern rufen. Ich muß ebenfalls als Zeuge erscheinen und klure auf, weshalb Tjaden rebelliert hat. Die Bettnussergeschichte macht Eindruck. Himmelstoß wird herangeholt und ich wiederhole meine Aussagen. "Stimmt das?" fragt Bertinck Himmelstoß. Der windet sich und muß es schließlich zugeben, als Kropp die gleichen Angaben macht. "Weshalb hat denn niemand das damals gemeldet?" fragt Bertinck. Wir schweigen; er muß doch selbst wissen, was eine Beschwerde uber solche Kleinigkeiten beim Kommiß fur Zweck hat. Gibt es beim Kommiß uberhaupt Beschwerden ? Er sieht es wohl ein und kanzelt Himmelstoß zunuchst ab, indem er ihm noch einmal energisch klarmacht, daß die Front kein Kasernenhof sei. Dann kommt in versturktem Maße Tjaden an die Reihe, der eine ausgewachsene Predigt und drei Tage Mittelarrest erhult. Kropp diktiert er mit einem Augenzwinkern einen Tag Arrest. "Geht nicht anders", sagt erbedauernd zu ihm. Er ist ein vernunftiger Kerl. Mittelarrest ist angenehm. Das Arrestlokal ist ein fruherer Huhnerstall; da kunnen beide Besuch empfangen, wir verstehen uns schon darauf, hinzukommen. Dicker Arrest wure Keller gewesen. Fruher wurden wir auch an einen Baum gebunden, doch das ist jetzt verboten. Manchmal werden wir schon wie Menschen behandelt. Eine Stunde nachdem Tjaden und Kropp hinter ihren Drahtgittern sitzen, brechen wir zu ihnen auf. Tjaden begrußt uns kruhend. Dann spielen wir bis in die Nacht Skat. Tjaden gewinnt naturlich, das dumme Luder. Beim Aufbrechen fragt Kat mich: "Was meinst du zu Gunsebraten?" "Nicht schlecht", finde ich. Wir klettern auf eine Munitionskolonne. Die Fahrt kostet zwei Zigaretten. Kat hat sich den Ort genau gemerkt. Der Stall gehurt einem Regimentsstab. Ich beschließe, die Gans zu holen, und lasse mir Instruktionen geben. Der Stall ist hinter der Mauer, nur mit einem Pflock verschlossen. Kat hult mir die Hunde hin, ich stemme den Fuß hinein und klettere uber die Mauer. Kat steht unterdessen Schmiere. Einige Minuten bleibe ich stehen, um die Augen an die Dunkelheit zu gewuhnen. Dann erkenne ich den Stall. Leise schleiche ich mich heran, taste den Pflock ab, ziehe ihn weg und uffne die Tur. Ich unterscheide zwei weiße Flecke. Zwei Gunse, das ist faul: faßt man die eine, so schreit die andere. Also beide - wenn ich schnell bin, klappt es. Mit einem Satz springe ich zu. Eine erwische ich sofort, einen Moment sputer die zweite. Wie verruckt haue ich die Kupfe gegen die Wand, um sie zu betuuben. Aber ich muß wohl nicht genugend Wucht haben. Die Biester ruuspern sich und schlagen mit Fußen und Flugeln um sich. Ich kumpfe erbittert, aber, Donnerwetter, was hat so eine Gans fur Kraft! Sie zerren, daß ich hin und her taumele. Im Dunkel sind diese weißen Lappen scheußlich, meine Arme haben Flugel gekriegt, beinahe habe ich Angst, daß ich mich zum Himmel erhebe, als hutte ich ein paar Fesselballons in den Pfoten. Da geht auch schon der Lurm los; einer der Hulse hat Luft geschnappt und schnarrt wie eine Weckuhr. Ehe ich mich versehe, tappt es draußen heran, ich bekomme einen Stoß, liege am Boden und hure wutendes Knurren. Ein Hund. Ich blicke zur Seite; da schnappt er schon nach meinem Halse. Sofort liege ich still und ziehe vor allem das Kinn an den Kragen. Es ist eine Dogge. Nach einer Ewigkeit nimmt sie den Kopf zuruck und setzt sich neben mich. Doch wenn ich versuche, mich zu bewegen, knurrt sie. Ich uberlege. Das einzige, was ich tun kann, ist, daß ich meinen kleinen Revolver zu fassen kriege. Fort muß ich hier auf jeden Fall, ehe Leute kommen. Zentimeterweise schiebe ich die Hand heran. Ich habe das Gefuhl, daß es Stunden dauert. Immer eine leise Bewegung und ein gefuhrliches Knurren; Stilliegen und erneuter Versuch. Als ich den Revolver in der Hand habe, fungt sie an zu zittern. Ich drucke sie auf den Boden und mache mir klar: Revolver hochreißen, schießen, ehe er zufassen kann, und turmen. Langsam hole ich Atem und werde ruhiger. Dann halte ich die Luft an, zucke den Revolver hoch, es knallt, die Dogge spritzt jaulend zur Seite, ich gewinne die Tur des Stalles und purzele uber eine der gefluchteten Gunse. Im Galopp greife ich schnell noch zu, schmeiße sie mit einem Schwung uber die Mauer und klettere selbst hoch. Ich bin noch nicht hinuber, da ist die Dogge auch schon wieder munter und springt nach mir. Rasch lasse ich mich fallen. Zehn Schritt vor mir steht Kat, die Gans im Arm. Sowie er mich sieht, laufen wir. Endlich kunnen wir verschnaufen. Die Gans ist tot, Kat hat das in einem Moment erledigt. Wir wollen sie gleich braten, damit keiner etwas merkt. Ich hole Tupfe und Holz aus der Baracke, und wir kriechen in einen kleinen verlassenen Schuppen, den wir fur solche Zwecke kennen. Die einzige Fensterluke wird dicht verhungt. Eine Art Herd ist vorhanden, auf Backsteinen liegt eine eiserne Platte. Wir zunden ein Feuer an. Kat rupft die Gans und bereitet sie zu. Die Federn legen wir sorgfultig beiseite. Wir wollen uns zwei kleine Kissen daraus machen mit der Aufschrift: "Ruhe sanft im Trommelfeuer!" Das Artilleriefeuer der Front umsummt unsern Zufluchtsort. Lichtschein flackert uber unsere Gesichter, Schatten tanzen auf der Wand. Manchmal ein dumpfer Krach, dann zittert der Schuppen. Fliegerbomben. Einmal huren wir gedumpfte Schreie. Eine Baracke muß getroffen sein. Flugzeuge surren; das Tacktack von MaschirMßgewehren wird laut. Aber von uns dringt kein Licht hinaus, dasrzu sehen wure. So sitzen wir uns gegenuber, Kat und ich, zwei Soldaten in abgeschabten Rucken, die eine Gans braten, mitten in der Nacht. Wir reden nicht viel, aber wir sind voll zarterer Rucksicht miteinander, als ich mir denke, daß Liebende es sein kunnen. Wir sind zwei Menschen, zwei winzige Funken Leben, draußen ist die Nacht und der Kreis des Todes. Wir sitzen an ihrem Rande, gefuhrdet und geborgen, uber unsere Hunde trieft Fett, wir sind uns nahe mit unseren Herzen, und die Stunde ist wie der Raum: uberflackert von einem sanften Feuer, gehen die Lichter und Schatten der Empfindungen hin und her. Was weiß er von mir - was weiß ich von ihm, fruher wure keiner unserer Gedanken uhnlich gewesen - jetzt sitzen wir vor einer Gans und fuhlen unser Dasein und sind uns so nahe, daß wir nicht daruber sprechen mugen. Es dauert lange, eine Gans zu braten, auch wenn sie jung und fett ist. Wir wechseln uns deshalb ab. Einer begießt sie, wuhrend der andere unterdessen schluft. Ein herrlicher Duft verbreitet sich allmuhlich. Die Geruusche von draußen werden zu einem Band, zu einem Traum, der aber die Erinnerung nicht ganz verliert. Ich sehe im Halbschlaf Kat den Luffel heben und senken, ich liebe ihn, seine Schultern, seine eckige, gebeugte Gestalt - und zu gleicher Zeit sehe ich hinter ihm Wulder und Sterne, und eine gute Stimme sagt Worte, die mir Ruhe geben, mir, einem Soldaten, der mit seinen großen Stiefeln und seinem Koppel und seinem Brotbeutel klein unter dem hohen Himmel den Weg geht, der vor ihm liegt, der rasch vergißt und nur selten noch traurig ist, der immer weitergeht unter dem großen Nachthimmel. Ein kleiner Soldat und eine gute Stimme, und wenn man ihn streicheln wurde, kunnte er es vielleicht nicht mehr verstehen, der Soldat mit den großen Stiefeln und dem zugeschutteten Herzen, der marschiert, weil er Stiefel trugt, und alles vergessen hat außer dem Marschieren. Sind am Horizont nicht Blumen und eine Landschaft, die so still ist, daß er weinen muchte, der Soldat? Stehen dort nicht Bilder, die er nicht verloren hat, weil er sie nie besessen hat, verwirrend, aber dennoch fur ihn voruber? Stehen dort nicht seine zwanzig Jahre? Ist mein Gesicht naß, und wo bin ich? Kat steht vor mir, sein riesiger gebuckter Schatten fullt uber mich wie eine Heimat. Er spricht leise, er luchelt und geht zum Feuer zuruck. Dann sagt er: "Es ist fertig." "Ja, Kat." Ich schuttele mich. In der Mitte des Raumes leuchtet der braune Braten. Wir holen unsere zusammenklappbaren Gabeln und unsere Taschenmesser heraus und schneiden uns jeder eine Keule ab. Dazu essen wir Kommißbrot, das wir in die Soße tunken. Wir essen langsam, mit vollem Genuß. "Schmeckt es, Kat?" "Gut! Dir auch?" "Gut, Kat." Wir sind Bruder und schieben uns gegenseitig die besten Stucke zu. Hinterher rauche ich eine Zigarette, Kat eine Zigarre. Es ist noch viel ubriggeblieben. "Wie wure es, Kat, wenn wir Kropp und Tjaden ein Stuck bruchten?" "Gemacht", sagt er. Wir schneiden eine Portion ab und wickeln sie sorgfultig in Zeitungspapier. Den Rest wollen wir eigentlich in unsere Baracke tragen, aber Kat lacht und sagt nur: "Tjaden." Ich sehe es ein, wir mussen alles mitnehmen. So machen wir uns auf den Weg zum Huhnerstall, um die beiden zu wecken. Vorher packen wir noch die Federn weg. Kropp und Tjaden halten uns fur eine Fata Morgana. Dann knirschen ihre Gebisse. Tjaden hat einen Flugel mit beiden Hunden wie eine Mundharmonika im Munde und kaut. Er suuft das Fett aus dem Topf und schmatzt: "Das vergesse ich euch nie!" Wir gehen zu unserer Baracke. Da ist der hohe Himmel wieder mit den Sternen und der beginnenden Dummerung, und ich gehe darunter hin, ein Soldat mit großen Stiefeln und vollem Magen, ein kleiner Soldat in der Fruhe - aber neben mir, gebeugt und eckig, geht Kat, mein Kamerad. Die Umrisse der Baracke kommen in der Dummerung auf uns zu wie ein schwarzer, guter Schlaf. 6 Es wird von einer Offensive gemunkelt. Wir gehen zwei Tage fruher als sonst an die Front. Auf dem Wege passieren wir eine zerschossene Schule. An ihrer Lungsseite aufgestapelt steht eine doppelte, hohe Mauer von ganz neuen, hellen, unpolierten Surgen. Sie riechen noch nach Harz und Kiefern und Wald. Es sind mindestens hundert. "Da ist ja gut vorgesorgt zur Offensive", sagt Muller erstaunt. "Die sind fur uns", knurrt Detering. "Quatsch nicht!" fuhrt Kat ihn an. "Sei froh, wenn du noch einen Sarg kriegst", grinst Tjaden, "dir verpassen sie doch nur eine Zeltbahn fur deine Schießbudenfigur, paß auf!" Auch die andern machen Witze, unbehagliche Witze, was sollen wir sonst tun. - Die Surge sind ja tatsuchlich fur uns. In solchen Dingen klappt die Organisation. uberall vorn brodelt es. In der ersten Nacht versuchen wir uns zu orientieren. Da es ziemlich still ist, kunnen wir huren, wie die Transporte hinter der gegnerischen Front rollen, unausgesetzt, bis in die Dummerung hinein. Kat sagt, daß sie nicht abrollen, sondern Truppen bringen, Truppen, Munition, Geschutze. Die englische Artillerie ist versturkt, das huren wir sofort. Es stehen rechts von der Ferme mindestens vier Batterien 20,5 mehr, und hinter dem Pappelstumpf sind Minenwerfer eingebaut. Außerdem ist eine Anzahl dieser kleinen franzusischen Biester mit Aufschlagzundern hinzugekommen. Wir sind in gedruckter Stimmung. Zwei Stunden nachdem wir in den Unterstunden stecken, schießt uns die eigene Artillerie in den Graben. Es ist das drittemal in vier Wochen. Wenn es noch Zielfehler wuren, wurde keiner was sagen, aber es liegt daran, daß die Rohre zu ausgeleiert sind; sie streuen bis in unsern Abschnitt, so unsicher werden die Schusse oft. In dieser Nacht haben wir dadurch zwei Verwundete. Die Front ist ein Kufig, in dem man nervus warten muß auf das, was geschehen wird. Wir liegen unter dem Gitter der Granatenbogen und leben in der Spannung des Ungewissen. uber uns schwebt der Zufall. Wenn ein Geschoß kommt, kann ich mich ducken, das ist alles; wohin es schlugt, kann ich weder genau wissen noch beeinflussen. Dieser Zufall ist es, der uns gleichgultig macht. Ich saß vor einigen Monaten in einem Unterstand und spielte Skat; nach einer Weile stand ich auf und ging, Bekannte in einem andern Unterstand zu besuchen. Als ich zuruckkam, war von dem ersten nichts mehr zu sehen, er war von einem schweren Treffer zerstampft. Ich ging zum zweiten zuruck und kam gerade rechtzeitig, um zu helfen, ihn aufzugraben. Er war inzwischen verschuttet worden. Ebenso zufullig, wie ich getroffen werde, bleibe ich am Leben. Im bombensicheren Unterstand kann ich zerquetscht werden, und auf freiem Felde zehn Stunden Trommelfeuer unverletzt uberstehen. Jeder Soldat bleibt nur durch tausend Zufulle am Leben. Und jeder Soldat glaubt und vertraut dem Zufall. Wir mussen auf unser Brot achtgeben. Die Ratten haben sich sehr vermehrt in der letzten Zeit, seit die Gruben nicht mehr recht in Ordnung sind. Detering behauptet, es wure das sicherste Vorzeichen fur dicke Luft. Die Ratten hier sind besonders widerwurtig, weil sie so groß sind. Es ist die Art, die man Leichenratten nennt. Sie haben scheußliche, busartige, nackte Gesichter, und es kann einem ubel werden, wenn man ihre langen, kahlen Schwunze sieht. Sie scheinen recht hungrig zu sein. Bei fast allen haben sie das Brot angefressen. Kropp hat es unter seinem Kopf fest in die Zeltbahn gewickelt, doch er kann nicht schlafen, weil sie ihm uber das Gesicht laufen, um heranzugelangen. Detering wollte schlau sein; er hatte an der Decke einen dunnen Draht befestigt und sein Brot darangehungt. Als er nachts seine Taschenlampe anknipst, sieht er den Draht hin und her schwanken. Auf dem Brot reitet eine fette Ratte. Schließlich machen wir ein Ende. Die Stucke Brot, die von den Tieren benagt sind, schneiden wir sorgfultig aus; wegwerfen kunnen wir das Brot ja auf keinen Fall, weil wir morgen sonst nichts zu essen haben. Die abgeschnittenen Scheiben legen wir in der Mitte auf dem Boden zusammen. Jeder nimmt seinen Spaten heraus und legt sich schlagbereit hin. Detering, Kropp und Kat halten ihre Taschenlampen bereit. Nach wenigen Minuten huren wir das erste Schlurfen und Zerren. Es versturkt sich, nun sind es viele kleine Fuße. Da blitzen die Taschenlampen auf, und alles schlugt auf den schwarzen Haufen ein, der auseinanderzischt. Der Erfolg ist gut. Wir schaufeln die Rattenteile uber den Grabenrand und legen uns wieder auf die Lauer. Noch einige Male gelingt uns der Schlag. Dann haben die Tiere etwas gemerkt oder das Blut gerochen. Sie kommen nicht mehr. Trotzdem ist der Brotrest auf dem Boden am nuchsten Tage von ihnen weggeholt. Im benachbarten Abschnitt haben sie zwei große Katzen und einen Hund uberfallen, totgebissen und angefressen. Am nuchsten Tage gibt es Edamer Kuse. Jeder erhult fast einen Viertelkuse. Das ist teilweise gut, denn Edamer schmeckt - und es ist teilweise faul, denn fur uns waren die dicken roten Bulle bislang immer ein Anzeichen fur schweren Schlamassel. Unsere Ahnung steigert sich, als noch Schnaps ausgeteilt wird. Vorluufig trinken wir ihn; aber uns ist nicht wohl zumute dabei. Tagsuber machen wir Wettschießen auf Ratten und lungern umher. Die Patronen und Handgranatenvorrute werden reichlicher. Die Bajonette revidieren wir selbst. Es gibt numlich welche, die gleichzeitig auf der stumpfen Seite als Suge eingerichtet sind. Wenn die druben jemand damit erwischen, wird er rettungslos abgemurkst. Im Nachbarabschnitt sind Leute von uns wiedergefunden worden, denen mit diesen Sugeseitengewehren die Nasen abgeschnitten und die Augen ausgestochen waren. Dann hatte man ihnen den Mund und Nase mit Sugespunen gefullt und sie so erstickt. Einige Rekruten haben noch Seitengewehre uhnlicher Art; wir schaffen sie weg und besorgen ihnen andere. Das Seitengewehr hat allerdings an Bedeutung verloren. Zum Sturmen ist es jetzt manchmal Mode, nur mit Handgranaten und Spaten vorzugehen. Der geschurfte Spaten ist eine leichtere und vielseitigere Waffe, man kann ihn nicht nur unter das Kinn stoßen, sondern vor allem damit schlagen, das hat grußere Wucht; besonders wenn man schrug zwischen Schulter und Hals trifft, spaltet man leicht bis zur Brust durch. Das Seitengewehr bleibt beim Stich oft stecken, man muß dann erst dem andern kruftig gegen den Bauch treten, um es loszukriegen, und in der Zwischenzeit hat man selbst leicht eins weg. Dabei bricht es noch außerdem manchmal ab. Nachts wird Gas abgeblasen. Wir erwarten den Angriff und liegen mit den Masken fertig, bereit, sie abzureißen, sowie der erste Schatten auftaucht. Der Morgen graut, ohne daß etwas erfolgt. Nur immer dieses nervenzerreibende Rollen druben, Zuge, Zuge, Lastwagen, Lastwagen, was konzentriert sich da nur? Unsere Artillerie funkt stundig hinuber, aber es hurt nicht auf, es hurt nicht auf. - Wir haben mude Gesichter und sehen aneinander vorbei. "Es wird wie an der Somme, da hatten wir nachher sieben Tage und Nuchte Trommelfeuer", sagt Kat duster. Er hat gar keinen Witz mehr, seit wir hier sind, und das ist schlimm, denn Kat ist ein altes Frontschwein, das Witterung besitzt. Nur Tjaden freut sich der guten Portionen und des Rums; er meint sogar, wir wurden genauso in Ruhe zuruckkehren, es wurde gar nichts passieren. Fast scheint es so. Ein Tag nach dem andern geht voruber. Ich sitze nachts im Loch auf Horchposten. uber mir steigen die Raketen und Leuchtschirme auf und nieder. Ich bin vorsichtig und gespannt, mein Herz klopft. Immer wieder liegt mein Auge auf der Uhr mit dem Leuchtzifferblatt; der Zeiger will nicht weiter. Der Schlaf hungt in meinen Augenlidern, ich bewege die Zehen in den Stiefeln, um wachzubleiben. Nichts geschieht, bis ich abgelust werde; - nur immer das Rollen druben. Wir werden allmuhlich ruhig und spielen stundig Skat und Mauscheln. Vielleicht haben wir Gluck. Der Himmel hungt tagsuber voll Fesselballons. Es heißt, daß von druben jetzt auch hier Tanks eingesetzt werden sollen und Infanterieflieger beim Angriff. Das interessiert uns aber weniger als das, was von den neuen Flammenwerfern erzuhlt wird. Mitten in der Nacht erwachen wir. Die Erde druhnt. Schweres Feuer liegt uber uns. Wir drucken uns in die Ecken. Geschosse aller Kaliber kunnen wir unterscheiden. Jeder greift nach seinen Sachen und vergewissert sich alle Augenblicke von neuem, daß sie da sind. Der Unterstand bebt, die Nacht ist ein Brullen und Blitzen. Wir sehen uns bei dem sekundenlangen Licht an und schutteln mit bleichen Gesichtern und gepreßten Lippen die Kupfe. Jeder fuhlt es mit, wie die schweren Geschosse die Grabenbrustung wegreißen, wie sie die Buschung durchwuhlen und die obersten Betonklutze zerfetzen. Wir merken den dumpferen, rasenderen Schlag, der dem Prankenhieb eines fauchenden Raubtiers gleicht, wenn der Schuß im Graben sitzt. Morgens sind einige Rekruten bereits grun und kotzen. Sie sind noch zu unerfahren. Langsam rieselt widerlich graues Licht in den Stollen und macht das Blitzen der Einschluge fahler. Der Morgen ist da. Jetzt mischen sich explodierende Minen in das Artilleriefeuer. Es ist das Wahnsinnigste an Erschutterung, was es gibt. Wo sie niederfegen, ist ein Massengrab. Die Ablusungen gehen hinaus, die Beobachter taumeln herein, mit Schmutz beworfen, zitternd. Einer legt sich schweigend in die Ecke und ißt, der andere, ein Ersatzreservist, schluchzt; er ist zweimal uber die Brustwehr geflogen durch den Luftdruck der Explosion, ohne sich etwas anderes zu holen als einen Nervenschock. Die Rekruten sehen zu ihm hin. So etwas steckt rasch an, wir mussen aufpassen, schon fangen verschiedene Lippen an zu flattern. Gut ist, daß es Tag wird; vielleicht erfolgt der Angriff vormittags. Das Feuer schwucht nicht ab. Es liegt auch hinter uns. So weit man sehen kann, spritzen Dreck- und Eisenfontunen. Ein sehr breiter Gurtel wird bestrichen. Der Angriff erfolgt nicht, aber die Einschluge dauern an. Wir werden langsam taub. Es spricht kaum noch jemand. Man kann sich auch nicht verstehen. Unser Graben ist fast fort. An vielen Stellen reicht er nur noch einen halben Meter hoch, er ist durchbrochen von Luchern, Trichtern und Erdbergen. Direkt vor unserm Stollen platzt eine Granate. Sofort ist es dunkel. Wir sind zugeschuttet und mussen uns ausgraben. Nach einer Stunde ist der Eingang wieder frei, und wir sind etwas gefaßter, weil wir Arbeit hatten. Unser Kompaniefuhrer klettert herein und berichtet, daß zwei Unterstunde weg sind. Die Rekruten beruhigen sich, als sie ihn sehen. Er sagt, daß heute abend versucht werden soll, Essen heranzubringen. Das klingt trustlich. Keiner hat daran gedacht, außer Tjaden. Nun ruckt etwas wieder von draußen nuher; - wenn Essen geholt werden soll, kann es ja nicht so schlimm sein, denken die Rekruten. Wir sturen sie nicht, wir wissen, daß Essen ebenso wichtig wie Munition ist und nur deshalb herangeschafft werden muß. Aber es mißlingt. Eine zweite Staffel geht los. Auch sie kehrt um. Schließlich ist Kat dabei, und selbst er erscheint unverrichtetersache wieder. Niemand kommt durch, kein Hundeschwanz ist schmal genug fur dieses Feuer. Wir ziehen unsere Schmachtriemen enger und kauen jeden Happen dreimal so lange. Doch es reicht trotzdem nicht aus; wir haben verfluchten Kohldampf. Ich bewahre mir eine Kante auf; das Weiche esse ich heraus, die Kante bleibt im Brotbeutel; ab und zu knabbere ich mal daran. Die Nacht ist unertruglich. Wir kunnen nicht schlafen, wir stieren vor uns hin und duseln. Tjaden bedauert, daß wir unsere angefressenen Brotstucke fur die Ratten vergeudet haben. Wir hutten sie ruhig aufheben sollen. Jeder wurde sie jetzt essen. Wasser fehlt uns auch, aber noch nicht so sehr. Gegen Morgen, als es noch dunkel ist, entsteht Aufregung. Durch den Eingang sturzt ein Schwurm fluchtender Ratten und jagt die Wunde hinauf. Die Taschenlampen beleuchten die Verwirrung. Alle schreien und fluchen und schlagen zu. Es ist der Ausbruch der Wut und der Verzweiflung vieler Stunden, der sich entludt. Die Gesichter sind verzerrt, die Arme schlagen, die Tiere quietschen, es fullt schwer, daß wir aufhuren, fast hutte einer den anderen angefallen. Der Ausbruch hat uns erschupft. Wir liegen und warten wieder. Es ist ein Wunder, daß unser Unterstand noch keine Verluste hat. Er ist einer der wenigen tiefen Stollen, die es jetzt noch gibt. Ein Unteroffizier kriecht herein; der hat ein Brot bei sich. Drei Leuten ist es doch gegluckt, nachts durchzukommen und etwas Proviant zu holen. Sie haben erzuhlt, daß das Feuer in unverminderter Sturke bis zu den Artilleriestunden luge. Es sei ein Rutsel, wo die druben so viele Geschutze hernuhmen. Wir mussen warten, warten. Mittags passiert das, womit ich schon rechnete. Einer der Rekruten hat einen Anfall. Ich habe ihn schon lange beobachtet, wie er ruhelos die Zuhne bewegte und die Fuuste ballte und schloß. Diese gehetzten, herausspnngenden Augen kennen wir zur Genuge. In den letzten Stunden ist er nur scheinbar stiller geworden. Er ist in sich zusammengesunken wie ein morscher Baum. Jetzt steht er auf, unauffullig kriecht er durch den Raum, verweilt einen Augenblick und rutscht dann dem Ausgang zu. Ich lege mich herum und frage: "Wo willst du hin?" "Ich bin gleich wieder da", sagt er und will an mir vorbei. "Warte doch noch, das Feuer lußt schon nach." Er horcht auf, und das Auge wird einen Moment klar. Dann hat es wieder den truben Glanz wie bei einem tollwutigen Hund, er schweigt und drungt mich fort. "Eine Minute, Kamerad!" rufe ich. Kat wird aufmerksam. Gerade als der Rekrut mich fortstußt, packt er zu, und wir halten ihn fest. Sofort beginnt er zu toben: "Laßt mich los, laßt mich 'raus, ich will hier'raus!" Er hurt auf nichts und schlugt um sich, der Mund ist naß und spruht Worte, halbverschluckte, sinnlose Worte. Es ist ein Anfall von Unterstandsangst, er hat das Gefuhl, hier zu ersticken, und kennt nur den einen Trieb: hinauszugelangen. Wenn man ihn laufen ließe, wurde er ohne Deckung irgendwohin rennen. Er ist nicht der erste. Da er sehr wild ist und die Augen sich schon verdrehen, so hilft es nichts, wir mussen ihn verprugeln, damit er vernunftig wird. Wir tun es schnell und erbarmungslos und erreichen, daß er vorluufig wieder ruhig sitzt. Die andern sind bleich bei der Geschichte geworden; hoffentlich schreckt es sie ab. Dieses Trommelfeuer ist zuviel fur die armen Kerle; sie sind vom Feldrekrutendepot gleich in einen Schlamassel geraten, der selbst einem alten Mann graue Haare machen kunnte. Die stickige Luft fullt uns nach diesem Vorgang noch mehr auf die Nerven. Wir sitzen wie in unserm Grabe und warten nur darauf, daß wir zugeschuttet werden. Plutzlich heult und blitzt es ungeheuer, der Unterstand kracht in allen Fugen unter einem Treffer, glucklicherweise einem leichten, dem die Betonklutze standgehalten haben. Es klirrt metallisch und furchterlich, die Wunde wackeln, Gewehre, Helme, Erde, Dreck und Staub fliegen. Schwefeliger Qualm dringt ein. Wenn wir statt in dem festen Unterstand in einem der leichten Dinger sußen, wie sie neuerdings gebaut werden, lebte jetzt keiner mehr. Die Wirkung ist aber auch so schlimm genug. Der Rekrut von vorhin tobt schon wieder, und zwei andere schließen sich an. Einer reißt aus und luuft weg. Wir haben Muhe mit den beiden andern. Ich sturze hinter dem Fluchtenden her und uberlege, ob ich ihm in die Beine schießen soll; - da pfeift es heran, ich werfe mich hin, und als ich aufstehe, ist die Grabenwand mit heißen Splittern, Fleischfetzen und Uniformlappen bepflastert. Ich klettere zuruck. Der erste scheint wirklich verruckt geworden zu sein. Er rennt mit dem Kopf wie ein Bock gegen die Wand, wenn man ihn loslußt. Wir werden nachts versuchen mussen, ihn nach hinten zu bringen. Vorluufig binden wir ihn so fest, daß man ihn beim Angriff sofort wieder losmachen kann. Kat schlugt vor, Skat zu spielen; - was soll man tun, vielleicht ist es leichter dann. Aber es wird nichts daraus, wir lauschen auf jeden Einschlag, der nuher ist, und verzuhlen uns bei den Stichen oder bedienen nicht die Farbe. Wir mussen es lassen. Wie in einem gewaltig druhnenden Kessel sitzen wir, auf den von allen Seiten losgeschlagen wird. Noch eine Nacht. Wir sind jetzt stumpf vor Spannung. Es ist eine tudliche Spannung, die wie ein schartiges Messer unser Ruckenmark entlang kratzt. Die Beine wollen nicht mehr, die Hunde zittern, der Kurper ist eine dunne Haut uber muhsam unterdrucktem Wahnsinn, uber einem gleich hemmungslos ausbrechenden Gebrull ohne Ende. Wir haben kein Fleisch und keine Muskeln mehr, wir kunnen uns nicht mehr ansehen, aus Furcht vor etwas Unberechenbarem. So pressen wir die Lippen aufeinander - es wird vorubergehen - es wird vorubergehen - vielleicht kommen wir durch. Mit einem Male huren die nahen Einschluge auf. Das Feuer dauert an, aber es ist zuruckverlegt, unser Graben ist frei. Wir greifen nach den Handgranaten, werfen sie vor den Unterstand und springen hinaus. Das Trommelfeuer hat aufgehurt, dafur liegt hinter uns ein schweres Sperrfeuer. Der Angriff ist da. Niemand wurde glauben, daß in dieser zerwuhlten Wuste noch Menschen sein kunnten; aber jetzt tauchen uberall aus dem Graben die Stahlhelme auf, und funfzig Meter von uns entfernt ist schon ein Maschinengewehr in Stellung gebracht, das gleich losbellt. Die Drahtverhaue sind zerfetzt. Immerhin halten sie noch etwas auf. Wir sehen die Sturmenden kommen. Unsere Artillerie funkt. Maschinengewehre knarren, Gewehre knattern. Von druben arbeiten sie sich heran. Haie und Kropp beginnen mit den Handgranaten. Sie werfen, so rasch sie kunnen, die Stiele werden ihnen abgezogen zugereicht. Haie wirft sechzig Meter weit, Kropp funfzig, das ist ausprobiert und wichtig. Die von druben kunnen im Laufen nicht viel eher etwas machen, als bis sie auf dreißig Meter heran sind. Wir erkennen die verzerrten Gesichter, die flachen Helme, es sind Franzosen. Sie erreichen die Reste des Drahtverhaus und haben schon sichtbare Verluste. Eine ganze Reihe wird von dem Maschinengewehr neben uns umgelegt; dann haben wir viele Ladehemmungen, und sie kommen nuher. Ich sehe einen von ihnen in einen spanischen Reiter sturzen, das Gesicht hoch erhoben. Der Kurper sackt zusammen, die Hunde bleiben hungen, als wollte er beten. Dann fullt der Kurper ganz weg, und nur noch die abgeschossenen Hunde mit den Armstumpfen hungen im Draht. Im Augenblick, als wir zuruckgehen, heben sich vorn drei Gesichter vom Boden. Unter einem der Helme ein dunkler Spitzbart und zwei Augen, die fest auf mich gerichtet sind. Ich hebe die Hand, aber ich kann nicht werfen in diese sonderbaren Augen, einen verruckten Moment lang rast die ganze Schlacht wie ein Zirkus um mich und diese beiden Augen, die allein bewegungslos sind, dann reckt sich druben der Kopf auf, eine Hand, eine Bewegung, und meine Handgranate fliegt hinuber, hinein. Wir laufen zuruck, reißen spanische Reiter in den Graben und lassen abgezogene Handgranaten hinter uns fallen, die uns einen feurigen Ruckzug sichern. Von der nuchsten Stellung aus feuern die Maschinengewehre. Aus uns sind gefuhrliche Tiere geworden. Wir kumpfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern die Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Hunden und Helmen der Tod hinter uns her, wir kunnen ihm seit drei Tagen zum ersten Male ins Gesicht sehen, wir kunnen uns seit drei Tagen zum ersten Male wehren gegen ihn, wir haben eine wahnsinnige Wut, wir liegen nicht mehr ohnmuchtig wartend auf dem Schafott, wir kunnen zersturen und tuten, um uns zu retten und zu ruchen. Wir hocken hinter jeder Ecke, hinter jedem Stacheldrahtgestell und werfen den Kommenden Bundel von Explosionen vor die Fuße, ehe wir forthuschen. Das Krachen der Handgranaten schießt kraftvoll in unsere Arme, in unsere Beine, geduckt wie Katzen laufen wir, uberschwemmt von dieser Welle, die uns trugt, die uns grausam macht, zu Wegelagerern, zu Murdern, zu Teufeln meinetwegen, dieser Welle, die unsere Kraft vervielfultigt in Angst und Wut und Lebensgier, die uns Rettung sucht und erkumpft. Kume dein Vater mit denen druben, du wurdest nicht zaudern, ihm die Granate gegen die Brust zu werfen! Die vorderen Gruben werden aufgegeben. Sind es noch Gruben? Sie sind zerschossen, vernichtet - es sind nur einzelne Grabenstucke, Lucher, verbunden durch Laufgunge, Trichternester, nicht mehr. Aber die Verluste derer von druben huufen sich. Sie haben nicht mit so viel Widerstand gerechnet. Es wird Mittag. Die Sonne brennt heiß, uns beißt der Schweiß in die Augen, wir wischen ihn mit dem urmel weg, manchmal ist Blut dabei. Der erste etwas besser erhaltene Graben taucht auf. Er ist besetzt und vorbereitet zum Gegenstoß, er nimmt uns auf. Unsere Artillerie setzt muchtig ein und riegelt den Vorstoß ab. Die Linien hinter uns stocken. Sie kunnen nicht vorwurts. Der Angriff wird zerfetzt durch unsere Artillerie. Wir lauern. Das Feuer springt hundert Meter weiter, und wir brechen wieder vor. Neben mir wird einem Gefreiten der Kopf abgerissen. Er luuft noch einige Schritte, wuhrend das Blut ihm wie ein Springbrunnen aus dem Halse schießt. Es kommt nicht ganz zum Handgemenge, die andern mussen zuruck. Wir erreichen unsere Grabenstucke wieder und gehen daruber hinaus vor. Oh, dieses Umwenden! Man hat die schutzenden Reservestellungen erreicht, man muchte hindurchkriechen, verschwinden; - und muß sich umdrehen und wieder in das Grauen hinein. Wuren wir keine Automaten in diesem Augenblick, wir blie