nicht scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! - (Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht. - Vansen tritt dazu.) Vansen. Gott grö¼öŸ' euch Herren! Was Neues? Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl. Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets? Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber, und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber, pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein Branntweinzapf. (Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.) Vansen. Ihr seid auch versammelt, steckt die Kö¶pfe zusammen. Es ist immer redenswert. Soest. Ich denk auch. Vansen. Wenn jetzt einer oder der andere Herz hö¤tte, und einer oder der andere den Kopf dazu: wir kö¶nnten die spanischen Ketten auf einmal sprengen. Soest. Herre! So mö¼öŸt Ihr nicht reden. Wir haben dem Kö¶nig geschworen. Vansen. Und der Kö¶nig uns. Merkt das. Jetter. Das lö¤öŸt sich hö¶ren! Sagt Eure Meinung. Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe. Vansen. Ich hatte einen alten Patron, der besaöŸ Pergamente und Briefe von uralten Stiftungen, Kontrakten und Gerechtigkeiten; er hielt auf die rarsten Bö¼cher. In einem stand unsere ganze Verfassung: wie uns Niederlö¤nder zuerst einzelne Fö¼rsten regierten, alles nach hergebrachten Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren alle Ehrfurcht fö¼r ihren Fö¼rsten gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie sich gleich vorsahen, wenn er ö¼ber die Schnur hauen wollte. Die Staaten waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz, so klein sie war, hatte ihre Staaten, ihre Landstö¤nde. Zimmermeister. Haltet Euer Maul! das weiöŸ man lange! Ein jeder rechtschaffene Bö¼rger ist, so viel er braucht, von der Verfassung unterrichtet. Jetter. LaöŸt ihn reden; man erfö¤hrt immer etwas mehr. Soests. Er hat ganz recht. Mehrere. Erzö¤hlt! erzö¤hlt! So was hö¶rt man nicht alle Tage. Vansen. So seid ihr Bö¼rgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern ö¼berkommen habt, so laöŸt ihr auch das Regiment ö¼ber euch schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem Recht eines Regenten; und ö¼ber das Versö¤umnis haben euch die Spanier das Netz ö¼ber die Ohren gezogen. Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tö¤gliche Brot hat. Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem so etwas? Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der Kö¶nig in Spanien, der die Provinzen durch gut Glö¼ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten anders als die kleinen Fö¼rsten, die sie ehemals einzeln besaöŸen. Begreift ihr das? Jetter. Erklö¤rt's uns. Vansen. Es ist so klar als die Sonne. Mö¼öŸt ihr nicht nach euern Landrechten gerichtet werden? Woher kö¤me das? Ein Bö¼rger. Wahrlich! Vansen. Hat der Brö¼sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der Antwerper als der Genter? Woher kö¤me denn das? Anderer Bö¼rger. Bei Gott! Vansen. Aber, wenn ihr's so fortlaufen laöŸt, wird man's euch bald anders weisen. Pfui! Was Karl der Kö¼hne, Friedrich der Krieger, Karl der Fö¼nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib. Soests. Ja, ja! Die alten Fö¼rsten haben's auch schon probiert. Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paöŸten auf. Wie sie einem Herrn gram wurden, fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei sich und gaben ihn nur auf die besten Bedingungen heraus. Unsere Vö¤ter waren Leute! Die wuöŸten, was ihnen nö¼tz war! Die wuöŸten etwas zu fassen und festzusetzen! Rechte Mö¤nner! Dafö¼r sind aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere Freiheiten so versichert. Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten? Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! Erzö¤hlt noch was von unsern Privilegien. Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen. Soests. Sagt an. Jetter. LaöŸt hö¶ren. Ein Bö¼rger. Ich bitt Euch. Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein guter und getreuer Herr sein. Soests. Gut! Steht das so? Jetter. Getreu? Ist das wahr? Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm. Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise. Jetter. Schö¶n! Schö¶n! nicht beweisen. Soests. Nicht merken lassen. Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt. Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise. Vansen. Mit ausdrö¼cklichen Worten. Jetter. Schafft uns das Buch. Ein Bö¼rger. Ja, wir mö¼ssen's haben. Andere. Das Buch! das Buch! Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche. Ein anderer. Ihr sollt das Wort fö¼hren, Herr Doktor. Seifensieder. O die Trö¶pfe! Andere. Noch etwas aus dem Buche! Seifensieder. Ich schlage ihm die Zö¤hne in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt. Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien? Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilligung des Adels und der Stö¤nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes nicht verö¤ndern. Soest. Ist das so? Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert Jahren her. Bö¼rger. Und wir leiden die neuen Bischö¶fe? Der Adel muöŸ uns schö¼tzen, wir fangen Hö¤ndel an! Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen? Vansen. Das ist eure Schuld. Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen fö¼r unser Bestes! Vansen. Eure Brö¼der in Flandern haben das gute Werk angefangen. Seifensieder. Du Hund! (Er schlö¤gt ihn.) Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier? Ein anderer. Was? den Ehrenmann? Ein anderer. Den Gelahrten? (Sie fallen den Seifensieder an.) Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht! (Andere mischen sich in den Streit.) Zimmermeister. Bö¼rger, was soll das? (Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, Bö¼rger stehn und gaffen, Volk lö¤uft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.) Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit! (Egmont tritt auf mit Begleitung.) Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander! Zimmermeister. Gnö¤diger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels. Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz! Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? Bö¼rger gegen Bö¼rger! Hö¤lt sogar die Nö¤he unsrer kö¶niglichen Regentin diesen Unsinn nicht zurö¼ck? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein ö¼bles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's? (Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.) Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien. Egmont. Die sie noch mutwillig zertrö¼mmern werden - Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute. Zimmermeister. Das ist unser Bestreben. Egmont. Eures Zeichens? Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister. Egmont. Und Ihr? Soest. Krö¤mer. Egmont. Ihr? Jetter. Schneider. Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fö¼r meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter. Jetter. Gnade, daöŸ Ihr Euch dessen erinnert. Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. - Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid ö¼bel genug angeschrieben. Reizt den Kö¶nig nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in Hö¤nden. Ein ordentlicher Bö¼rger, der sich ehrlich und fleiöŸig nö¤hrt, hat ö¼berall so viel Freiheit, als er braucht. Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die Sö¶ffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stö¤nkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lö¼gen den Neugierigen und Leichtglö¤ubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie Hö¤ndel an, die viel tausend Menschen unglö¼cklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Hö¤user und Kasten zu gut verwahrt; da mö¶chten sie gern uns mit Feuerbrö¤nden davontreiben. Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind MaöŸregeln genommen, dem öœbel krö¤ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daöŸ sie sich auf den StraöŸen rotten. Vernö¼nftige Leute kö¶nnen viel tun. (Indessen hat sich der grö¶öŸte Haufe verlaufen.) Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken fö¼r die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnö¤diger Herr! der echte Niederlö¤nder! Gar so nichts Spanisches. Jetter. Hö¤tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne. Soest. Das lö¤öŸt der Kö¶nig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen. Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt. Zimmermeister. Ein schö¶ner Herr! Jetter. Sein Hals wö¤r' ein rechtes Fressen fö¼r einen Scharfrichter. Soest. Bist du toll? was kommt dir ein! Jetter. Dumm genug, daöŸ einem so etwas einfö¤llt. - Es ist mir nun so. Wenn ich einen schö¶nen langen Hals sehe, muöŸ ich gleich wider Willen denken: der ist gut kö¶pfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den sö¤h' ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden SpaöŸ hab ich bald vergessen; die fö¼rchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt. Egmonts Wohnung Sekretö¤r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf. Sekretö¤r. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand,. die Papiere vor mir; und eben heute mö¶cht' ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben. á»Sei auf die Stunde daá«, befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt' ich's besser, wenn er strenge wö¤re und lieöŸe einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man kö¶nnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiöŸ, wen er unterwegs angefaöŸt hat. (Egmont tritt auf.) Egmont. Wie sieht's aus? Sekretö¤r. Ich bin bereit, und drei Boten warten. Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieöŸlich Gesicht. Sekretö¤r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind die Papiere! Egmont. Donna Elvira wird bö¶se auf mich werden, wenn sie hö¶rt, daöŸ ich dich abgehalten habe. Sekretö¤r. Ihr scherzt. Egmont. Nein, nein. Schö¤me dich nicht. Du zeigst einen guten Geschmack. Sie ist hö¼bsch; und es ist mir ganz recht, daöŸ du auf dem Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe? Sekretö¤r. Mancherlei und wenig Erfreuliches. Egmont. Da ist gut, daöŸ wir die Freude zu Hause haben und sie nicht von auswö¤rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen? Sekretö¤r. Genug, und drei Boten warten. Egmont. Sag an! das Nö¶tigste! Sekretö¤r. Es ist alles nö¶tig. Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind! Sekretö¤r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. - Egmont. Er schreibt wohl noch von einzelnen Ungezogenheiten und Tollkö¼hnheiten? Sekretö¤r. Ja! Es kommt noch manches vor. Egmont. Verschone mich damit. Sekretö¤r. Noch sechs sind eingezogen worden, die bei Wervicq das Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll hö¤ngen lassen? Egmont. Ich bin des Hö¤ngens mö¼de. Man soll sie durchpeitschen, und sie mö¶gen gehen. Sekretö¤r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen? Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen. Sekretö¤r. Brink von Bredas Kompanie will heiraten. Der Hauptmann hofft, Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen, schreibt er, daöŸ, wenn wir ausziehen, es keinem Soldatenmarsch, sondern einem Zigeunergeschleppe ö¤hnlich sehen wird. Egmont. Dem mag's noch hingehen! Es ist ein schö¶ner junger Kerl; er bat mich noch gar dringend, eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem mehr gestattet sein, so leid mir's tut, den armen Teufeln, die ohnedies geplagt genug sind, ihren besten SpaöŸ zu versagen. Sekretö¤r. Zwei von Euern Leuten, Seter und Hart, haben einem Mö¤del, einer Wirtstochter, ö¼bel mitgespielt. Sie kriegten sie allein, und die Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren. Egmont. Wenn es ein ehrlich Mö¤dchen ist, und sie haben Gewalt gebraucht, so soll er sie drei Tage hintereinander mit Ruten streichen lassen, und wenn sie etwas besitzen, soll er so viel davon einziehen, daöŸ dem Mö¤dchen eine Ausstattung gereicht werden kann. Sekretö¤r. Einer von den fremden Lehrern ist heimlich durch Comines gegangen und entdeckt worden. Er schwö¶rt, er sei im Begriff, nach Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden. Egmont. Sie sollen ihn in der Stille an die Grenze bringen und ihm versichern, daöŸ er das zweitemal nicht so wegkommt. Sekretö¤r. Ein Brief von Euerm Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig Geld ein, er kö¶nne auf die Woche die verlangte Summe schwerlich schicken; der Tumult habe in alles die grö¶öŸte Konfusion gebracht. Egmont. Das Geld muöŸ herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt. Sekretö¤r. Er sagt, er werde sein mö¶glichstes tun und wolle endlich den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen lassen. Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen. Sekretö¤r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage. Egmont. So gebe man ihm noch vierzehn Tage; und dann mag er gegen ihn verfahren. Sekretö¤r. Ihr tut wohl. Es ist nicht Unvermö¶gen; es ist bö¶ser Wille. Er macht gewiöŸ Ernst, wenn er sieht, Ihr spaöŸt nicht. - Ferner sagt der Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen Ihr Gnadengehalte gebt, die Gebö¼hr einen halben Monat zurö¼ckhalten; man kö¶nne indessen Rat schaffen; sie mö¶chten sich einrichten. Egmont. Was ist da einzurichten? Die Leute brauchen das Geld nö¶tiger als ich. Das soll er bleibenlassen. Sekretö¤r. Woher befehlt Ihr denn, daöŸ er das Geld nehmen soll? Egmont. Darauf mag er denken; es ist ihm im vorigen Briefe schon gesagt. Sekretö¤r. Deswegen tut er die Vorschlö¤ge. Egmont. Die taugen nicht, er soll auf was anders sinnen. Er soll Vorschlö¤ge tun, die annehmlich sind, und vor allem soll er das Geld schaffen. Sekretö¤r. Ich habe den Brief des Grafen Oliva wieder hiehergelegt. Verzeiht, daöŸ ich Euch daran erinnere. Der alte Herr verdient vor allen andern eine ausfö¼hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. GewiöŸ, er liebt Euch wie ein Vater. Egmont. Ich komme nicht dazu. Und unter vielem VerhaöŸten ist mir das Schreiben das VerhaöŸteste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib in meinem Namen. Ich erwarte Oranien. Ich komme nicht dazu; und wö¼nschte selbst, daöŸ ihm auf seine Bedenklichkeiten was recht Beruhigendes geschrieben wö¼rde. Sekretö¤r. Sagt mir nur ungefö¤hr Eure Meinung; ich will die Antwort schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daöŸ sie vor Gericht fö¼r Eure Hand gelten kann. Egmont. Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher Alter! Warst du in deiner Jugend auch wohl so bedö¤chtig? Erstiegst du nie einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anrö¤t, hinten? - Der treue, sorgliche! Er will mein Leben und mein Glö¼ck und fö¼hlt nicht, daöŸ der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm, er mö¶ge unbesorgt sein; ich handle, wie ich soll, ich werde mich schon wahren: sein Ansehn bei Hofe soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines vollkommnen Dankes gewiöŸ sein. Sekretö¤r. Nichts weiter? O er erwartet mehr. Egmont. Was soll ich mehr sagen? Willst du mehr Worte machen, so steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie ich nicht leben mag. DaöŸ ich frö¶hlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe, das ist mein Glö¼ck; und ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit eines Totengewö¶lbes. Ich habe nun zu der spanischen Lebensart nicht einen Blutstropfen in meinen Adern; nicht Lust, meine Schritte nach der neuen bedö¤chtigen Hofkadenz zu mustern. Leb ich nur, um aufs Leben zu denken? Soll ich den gegenwö¤rtigen Augenblick nicht genieöŸen, damit ich des folgenden gewiöŸ sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren? Sekretö¤r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den guten Mann. Ihr seid ja sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefö¤llig Wort, das den edeln Freund beruhige. Seht, wie sorgfö¤ltig er ist, wie leis er Euch berö¼hrt. Egmont. Und doch berö¼hrt er immer diese Saite. Er weiöŸ von alters her, wie verhaöŸt mir diese Ermahnungen sind; sie machen nur irre, sie helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wö¤re und auf dem gefö¤hrlichen Gipfel eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich, mich beim Namen zu rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tö¶ten? LaöŸt jeden seines Pfades gehn; er mag sich wahren. Sekretö¤r. Es ziemt Euch, nicht zu sorgen, aber wer Euch kennt und liebt - Egmont (in den Brief sehend). Da bringt er wieder die alten Mö¤rchen auf, was wir an einem Abend in leichtem öœbermut der Geselligkeit und des Weins getrieben und gesprochen; und was man daraus fö¼r Folgen und Beweise durchs ganze Kö¶nigreich gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir haben Schellenkappen, Narrenkutten auf unsrer Diener ö„rmel sticken lassen, und haben diese tolle Zierde nachher in ein Bö¼ndel Pfeile verwandelt; ein noch gefö¤hrlicher Symbol fö¼r alle, die deuten wollen, wo nichts zu deuten ist. Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich und geboren; sind schuld, daöŸ eine ganze edle Schar mit Bettelsö¤cken und mit einem selbstgewö¤hlten Unnamen dem Kö¶nige seine Pflicht mit spottender Demut ins Gedö¤chtnis rief; sind schuld - was ist's nun weiter? Ist ein Fastnachtsspiel gleich Hochverrat? Sind uns die kurzen, bunten Lumpen zu miöŸgö¶nnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers Lebens arme Blö¶öŸe hö¤ngen mag? Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn dran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am Abend uns keine Lust zu hoffen ö¼brigbleibt: ist's wohl des An- und Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heut, um das zu ö¼berlegen, was gestern war? und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages? Schenke mir diese Betrachtungen; wir wollen sie Schö¼lern und Hö¶flingen ö¼berlassen. Die mö¶gen sinnen und aussinnen, wandeln und schleichen, gelangen, wohin sie kö¶nnen, erschleichen, was sie kö¶nnen. - Kannst du von allem diesem etwas brauchen, daöŸ deine Epistel kein Buch wird, so ist mir's recht. Dem guten Alten scheint alles viel zu wichtig. So drö¼ckt ein Freund, der lang unsre Hand gehalten, sie stö¤rker noch einmal, wenn er sie lassen will. Sekretö¤r. Verzeiht mir, es wird dem FuöŸgö¤nger schwindlig, der einen Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht. Egmont. Kind! Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als, mutig gefaöŸt, die Zö¼gel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die Rö¤der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiöŸ es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam. Sekretö¤r. Herr! Herr! Egmont. Ich stehe hoch und kann und muöŸ noch hö¶her steigen; ich fö¼hle mir Hoffnung, Mut und Kraft. Noch hab ich meines Wachstums Gipfel nicht erreicht; und steh ich droben einst, so will ich fest, nicht ö¤ngstlich stehn. Soll ich fallen, so mag ein Donnerschlag, ein Sturmwind, ja ein selbst verfehlter Schritt mich abwö¤rts in die Tiefe stö¼rzen; da lieg ich mit viel Tausenden. Ich habe nie verschmö¤ht, mit meinen guten Kriegsgesellen um kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht? Sekretö¤r. O Herr! Ihr wiöŸt nicht, was fö¼r Worte Ihr sprecht! Gott erhalt' Euch! Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am nö¶tigsten ist, daöŸ die Boten fortkommen, eh die Tore geschlossen werden. Das andere hat Zeit. Den Brief an den Grafen laöŸ bis morgen; versö¤ume nicht, Elviren zu besuchen, und grö¼öŸe sie von mir. - Horche, wie sich die Regentin befindet; sie soll nicht wohl sein, ob sie's gleich verbirgt. (Sekretö¤r ab.) (Oranien kommt.) Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei. Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin? Egmont. Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts AuöŸerordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht ganz wohl. Oranien. Merktet Ihr nicht, daöŸ sie zurö¼ckhaltender war? Erst wollte sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des Pö¶bels gelassen billigen; nachher merkte sie an, was sich doch auch fö¼r ein falsches Licht darauf werfen lasse; wich dann mit dem Gesprö¤che zu ihrem alten gewö¶hnlichen Diskurs: daöŸ man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns Niederlö¤ndern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, daöŸ nichts einen erwö¼nschten Ausgang nehmen wolle, daöŸ sie am Ende wohl mö¼de werden, der Kö¶nig sich zu andern MaöŸregeln entschlieöŸen mö¼sse. Habt Ihr das gehö¶rt? Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein Weib, guter Oranien, und die mö¶chten immer gern, daöŸ sich alles unter ihr sanftes Joch gelassen schmiegte, daöŸ jeder Herkules die Lö¶wenhaut ablegte und ihren Kunkelhof vermehrte; daöŸ, weil sie friedlich gesinnt sind, die Gö¤rung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mö¤chtige Nebenbuhler gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen lieöŸe und die widrigsten Elemente sich zu ihren Fö¼öŸen in sanfter Eintracht vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich ö¼ber Undankbarkeit, Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu drohen, und zu drohen - daöŸ sie fortgehn will. Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daöŸ sie ihre Drohung erfö¼llt? Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo will sie denn hin? Hier Statthalterin, Kö¶nigin; glaubst du, daöŸ sie es unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder nach Italien zu gehen und sich in alten Familienverhö¤ltnissen herumzuschleppen? Oranien. Man hö¤lt sie dieser EntschlieöŸung nicht fö¤hig, weil Ihr sie habt zaudern, weil Ihr sie habt zurö¼cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in ihr; neue Umstö¤nde treiben sie zu dem lang verzö¶gerten EntschluöŸ. Wenn sie ginge? und der Kö¶nig schickte einen andern? Egmont. Nun, der wö¼rde kommen, und wö¼rde eben auch zu tun finden. Mit groöŸen Planen, Projekten und Gedanken wö¼rde er kommen, wie er alles zurechtrö¼cken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und wö¼rde heut mit dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, ö¼bermorgen jene Hindernis finden, einen Monat mit Entwö¼rfen, einen andern mit VerdruöŸ ö¼ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen ö¼ber eine einzige Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daöŸ er, statt weite Meere nach einer vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in diesem Sturme vom Felsen hö¤lt. Oranien. Wenn man nun aber dem Kö¶nig zu einem Versuch riete? Egmont. Der wö¤re? Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge. Egmont. Wie? Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere Verhö¤ltnisse am Herzen, ich stehe immer wie ö¼ber einem Schachspiele und halte keinen Zug des Gegners fö¼r unbedeutend; und wie mö¼öŸige Menschen mit der grö¶öŸten Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekö¼mmern, so halt ich es fö¼r Pflicht, fö¼r Beruf eines Fö¼rsten, die Gesinnungen, die Ratschlö¤ge aller Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befö¼rchten. Der Kö¶nig hat lange nach gewissen Grundsö¤tzen gehandelt; er sieht, daöŸ er damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daöŸ er es auf einem andern Wege versucht? Egmont. Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht, und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muöŸ man es endlich wohl genug haben. Oranien. Eins hat er noch nicht versucht. Egmont. Nun? Oranien. Das Volk zu schonen und die Fö¼rsten zu verderben. Egmont. Wie viele haben das schon lange gefö¼rchtet! Es ist keine Sorge. Oranien. Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt GewiöŸheit geworden. Egmont. Und hat der Kö¶nig treuere Diener als uns? Oranien. Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander kö¶nnen wir gestehen, daöŸ wir des Kö¶nigs Rechte und die unsrigen wohl abzuwö¤gen wissen. Egmont. Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewö¤rtig in dem, was ihm zukommt. Oranien. Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit nennte, was wir heiöŸen: auf unsre Rechte halten? Egmont. Wir werden uns verteidigen kö¶nnen. Er rufe die Ritter des Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen. Oranien. Und was wö¤re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor dem Urteil? Egmont. Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen Rö¤ten nicht zutraue. Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tö¶richt wö¤ren? Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mö¶glich. Wer sollte wagen, Hand an uns zu legen? - Uns gefangenzunehmen, wö¤r' ein verlornes und fruchtloses Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht ö¼bers Land brö¤chte, wö¼rde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie? Richten und verdammen kann nicht der Kö¶nig allein; und wollten sie meuchelmö¶rderisch an unser Leben? - Sie kö¶nnen nicht wollen. Ein schrecklicher Bund wö¼rde in einem Augenblick das Volk vereinigen. HaöŸ und ewige Trennung vom spanischen Namen wö¼rde sich gewaltsam erklö¤ren. Oranien. Die Flamme wö¼tete dann ö¼ber unserm Grabe, und das Blut unsrer Feinde flö¶sse zum leeren Sö¼hnopfer. LaöŸ uns denken, Egmont. Egmont. Wie sollten sie aber? Oranien. Alba ist unterwegs. Egmont. Ich glaub's nicht. Oranien. Ich weiöŸ es. Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen. Oranien. Um desto mehr bin ich ö¼berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit. Egmont. Aufs neue die Provinzen zu belö¤stigen? Das Volk wird hö¶chst schwierig werden. Oranien. Man wird sich der Hö¤upter versichern. Egmont. Nein! Nein! Oranien. LaöŸ uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns verstö¤rken; mit offner Gewalt fö¤ngt er nicht an. Egmont. Mö¼ssen wir ihn nicht begrö¼öŸen, wenn er kommt? Oranien. Wir zö¶gern. Egmont. Und wenn er uns im Namen des Kö¶nigs bei seiner Ankunft fordert? Oranien. Suchen wir Ausflö¼chte. Egmont. Und wenn er dringt? Oranien. Entschuldigen wir uns. Egmont. Und wenn er drauf besteht? Oranien. Kommen wir um so weniger. Egmont. Und der Krieg ist erklö¤rt, und wir sind die Rebellen. Oranien, laöŸ dich nicht durch Klugheit verfö¼hren; ich weiöŸ, daöŸ Furcht dich nicht weichen macht. Bedenke den Schritt. Oranien. Ich hab ihn bedacht. Egmont. Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem verderblichsten Kriege, der je ein Land verwö¼stet hat. Dein Weigern ist das Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand gehascht hat. Was wir lange mö¼hselig gestillt haben, wirst du mit einem Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die Stö¤dte, die Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die Verwö¼stung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen Kameraden neben sich hinfallen; aber den FluöŸ herunter werden dir die Leichen der Bö¼rger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, daöŸ du mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weiöŸt, wessen Sache du verteidigst, da die zugrunde gehen, fö¼r deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie wird dir's sein, wenn du dir still sagen muöŸt: á»Fö¼r meine Sicherheit ergriff ich sie.á« Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns fö¼r Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns fö¼r Tausende zu schonen. Egmont. Wer sich schont, muöŸ sich selbst verdö¤chtig werden. Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und rö¼ckwö¤rts gehen. Egmont. Das öœbel, das du fö¼rchtest, wird gewiöŸ durch deine Tat. Oranien. Es ist klug und kö¼hn, dem unvermeidlichen öœbel entgegenzugehn. Egmont. Bei so groöŸer Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in Anschlag. Oranien. Wir haben nicht fö¼r den leisesten FuöŸtritt Platz mehr; der Abgrund liegt hart vor uns. Egmont. Ist des Kö¶nigs Gunst ein so schmaler Grund? Oranien. So schmal nicht, aber schlö¼pfrig. Egmont. Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daöŸ man unwö¼rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fö¤hig. Oranien. Die Kö¶nige tun nichts Niedriges. Egmont. Man sollte ihn kennenlernen. Oranien. Eben diese Kenntnis rö¤t uns, eine gefö¤hrliche Probe nicht abzuwarten. Egmont. Keine Probe ist gefö¤hrlich, zu der man Mut hat. Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont. Egmont. Ich muöŸ mit meinen Augen sehen. Oranien. O sö¤hst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daöŸ der Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal verschlingt. Vielleicht zö¶gert er, um seinen Anschlag sicherer auszufö¼hren; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - LaöŸ deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie er die Stadt besetzt, was fö¼r Macht die Regentin behö¤lt, wie deine Freunde gefaöŸt sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont - Egmont. Was willst du? Oranien (ihn bei der Hand fassend). LaöŸ dich ö¼berreden! Geh mit! Egmont. Wie? Trö¤nen, Oranien? Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mö¤nnlich. Egmont. Du wö¤hnst mich verloren? Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl! (Ab.) Egmont (allein). DaöŸ andrer Menschen Gedanken solchen EinfluöŸ auf uns haben! Mir wö¤r' es nie eingekommen; und dieser Mann trö¤gt seine Sorglichkeit in mich herö¼ber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel. Dritter Aufzug Palast der Regentin Margarete von Parma. Margarete. Ich hö¤tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in Mö¼he und Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man tue das Mö¶glichste; und der von weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das Mö¶gliche. - O die Kö¶nige! - Ich hö¤tte nicht geglaubt, daöŸ es mich so verdrieöŸen kö¶nnte. Es ist so schö¶n zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiöŸ nicht, wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch. (Machiavell erscheint im Grunde.) Regentin. Tretet nö¤her, Machiavell. Ich denke hier ö¼ber den Brief meines Bruders. Machiavell. Ich darf wissen, was er enthö¤lt? Regentin. So viel zö¤rtliche Aufmerksamkeit fö¼r mich als Sorgfalt fö¼r seine Staaten. Er rö¼hmt die Standhaftigkeit, den FleiöŸ und die Treue, womit ich bisher fö¼r die Rechte seiner Majestö¤t in diesen Landen gewacht habe. Er bedauert mich, daöŸ mir das unbö¤ndige Volk so viel zu schaffen mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen ö¼berzeugt, mit der Klugheit meines Betragens so auöŸerordentlich zufrieden, daöŸ ich fast sagen muöŸ, der Brief ist fö¼r einen Kö¶nig zu schö¶n geschrieben, fö¼r einen Bruder gewiöŸ. Machiavell. Es ist nicht das erstemal, daöŸ er Euch seine gerechte Zufriedenheit bezeigt. Regentin. Aber das erstemal, daöŸ es rednerische Figur ist. Machiavell. Ich versteh Euch nicht. Regentin. Ihr werdet. - Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine ö¼ble Figur spielen! Wir hö¤tten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die dem Bö¼rger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, groöŸe Sprö¼nge zu machen. Machiavell. Es wö¼rde die Gemö¼ter ö¤uöŸerst aufbringen. Regentin. Der Kö¶nig meint aber, hö¶rst du? - Er meint, daöŸ ein tö¼chtiger General, so einer, der gar keine Rö¤son annimmt, gar bald mit Volk und Adel, Bö¼rgern und Bauern fertig werden kö¶nne; - und schickt deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba. Machiavell. Alba? Regentin. Du wunderst dich? Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll? Regentin. Der Kö¶nig fragt nicht; er schickt. Machiavell. So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten haben. Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell. Machiavell. Ich mö¶cht' Euch nicht vorgreifen. Regentin. Und ich mö¶chte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daöŸ er fö¶rmliche Episteln unterschreibt, die ein Staatssekretö¤r aufsetzt. Machiavell. Sollte man nicht einsehen? - Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mö¶chten's gern gesö¤ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als wenn ich den Kö¶nig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sö¤he. Machiavell. So lebhaft? Regentin. Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der ehrliche Rodrich, der so erfahren und mö¤öŸig ist, nicht zu hoch will, und doch nichts fallen lö¤öŸt, der gerade Alonzo, der fleiöŸige Freneda, der feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei mö¤chtig wird. Da sitzt aber der hohlö¤ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den Zö¤hnen von Weibergö¼te, unzeitigem Nachgeben und daöŸ Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche Spö¤öŸe, die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhö¶ren mö¼ssen. Machiavell. Ihr habt zu dem Gemö¤lde einen guten Farbentopf gewö¤hlt. Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus der ich allenfalls malen kö¶nnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist bei ihm gleich ein Gotteslö¤sterer, ein Majestö¤tsschö¤nder: denn aus diesem Kapitel kann man sie alle sogleich rö¤dern, pfö¤hlen, vierteilen und verbrennen. - Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiöŸ in der Ferne wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hö¤ngt er sich an jeden Mutwillen, der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem Kö¶nige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und Tollkö¼hnheit, daöŸ er sich vorstellt, sie frö¤öŸen sich hier einander auf, wenn eine flö¼chtig vorö¼bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist. Da faöŸt er einen recht herzlichen HaöŸ auf die armen Leute; sie kommen ihm abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und Schwert um und wö¤hnt, so bö¤ndige man Menschen. Machiavell. Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch. Bleibt Ihr nicht Regentin? Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich bin in Staatsgeschö¤ften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen verdrö¤ngt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. - Erst wird er eine Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine geheime Instruktion vorschö¼tzen; wenn ich sie sehen will, wird er mich herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz was anders enthö¤lt; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr tun, als wenn ich redete. - Indes wird er, was ich fö¼rchte, getan, und was ich wö¼nsche, weit abwö¤rts gelenkt haben. Machiavell. Ich wollt', ich kö¶nnt' Euch widersprechen. Regentin. Was ich mit unsö¤glicher Geduld beruhigte, wird er durch Hö¤rte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und ö¼berdies noch seine Schuld zu tragen haben. Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit. Regentin. So viel Gewalt hab ich ö¼ber mich, um stille zu sein. LaöŸ ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdrö¤ngt. Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt? Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daöŸ jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genieöŸt. Klö¤rchens Wohnung Klö¤rchen. Mutter. Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten. Klö¤rchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend). Glö¼cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tö¤test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch. Klö¤rchen (singt). Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen Und bangen In schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrö¼bt - Glö¼cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. LaöŸ das Heiopopeia. Klö¤rchen.