Scheltet mir's nicht; es ist ein krö¤ftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein groöŸes Kind damit schlafen gewiegt. Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. Vergö¤öŸest du nur nicht alles ö¼ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glö¼cklich machen. Klö¤rchen. Er? Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und ö¼berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schö¶ne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann. Klö¤rchen (schaudert, schweigt und fö¤hrt auf). Mutter, laöŸt die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt! Wenn wir mö¼ssen - dann - wollen wir uns gebö¤rden, wie wir kö¶nnen - Egmont, ich dich entbehren! - (In Trö¤nen.) Nein, es ist nicht mö¶glich, nicht mö¶glich. Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrö¼ckt). Klö¤rchen! Klö¤rchen (tut einen Schrei, fö¤hrt zurö¼ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, Sö¼öŸer! Kommst du? bist du da! Egmont. Guten Abend, Mutter. Mutter. Gott grö¼öŸ' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, daöŸ Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen. Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen? Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hö¤tten. Klö¤rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter. Mutter. Schmal genug. Klö¤rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groöŸen Appetit haben, wenn ich bei ihm bin. Egmont. Meinst du? Klö¤rchen (stampft mit dem FuöŸe und kehrt sich unwillig um). Egmont. Wie ist dir? Klö¤rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KuöŸ angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben. Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten mö¶chte, da nimmt er sich zusammen, faöŸt sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber - Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich muöŸ in die Kö¼che; Klö¤rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mö¼öŸt fö¼rliebnehmen. Egmont. Euer guter Wille ist die beste Wö¼rze. (Mutter ab.) Klö¤rchen. Und was wö¤re denn meine Liebe? Egmont. So viel du willst. Klö¤rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt. Egmont. Zuvö¶rderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem prö¤chtigen Kleide da.) Klö¤rchen. O je! Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.) Klö¤rchen. LaöŸt! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurö¼ck.) Wie prö¤chtig! Da darf ich Euch nicht anrö¼hren. Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen. Klö¤rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies! Egmont. Da siehst du's nun. Klö¤rchen. Das hat dir der Kaiser umgehö¤ngt? Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trö¤gt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter ö¼ber meine Handlungen als den GroöŸmeister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter. Klö¤rchen. O du dö¼rftest die ganze Welt ö¼ber dich richten lassen. - Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! - Man weiöŸ nicht, wo man anfangen soll. Egmont. Sieh dich nur satt. Klö¤rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzö¤hltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles GroöŸen und Kostbaren, was man mit Mö¼h und FleiöŸ verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach - Egmont. Was willst du sagen? Klö¤rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht. Egmont. Wieso? Klö¤rchen. Ich habe sie nicht mit Mö¼h und FleiöŸ erworben, nicht verdient. Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen. Klö¤rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung ö¼ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt? Egmont. Hö¤tt' ich nur etwas fö¼r sie getan! kö¶nnt' ich etwas fö¼r sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben. Klö¤rchen. Du warst gewiöŸ heute bei der Regentin? Egmont. Ich war bei ihr. Klö¤rchen. Bist du gut mit ihr? Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich. Klö¤rchen. Und im Herzen? Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sö¤he tief genug, wenn sie auch nicht argwö¶hnisch wö¤re. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe. Klö¤rchen. So gar keine? Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den Fö¤ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung fö¼r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daöŸ er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten mö¶chte. Klö¤rchen. Verstellt sie sich? Egmont. Regentin, und du fragst? Klö¤rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch? Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will. Klö¤rchen. Ich kö¶nnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen mö¤nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir Nö¤hterinnen und Kö¶chinnen. Sie ist groöŸ, herzhaft, entschlossen. Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung. Klö¤rchen. Wieso? Egmont. Sie hat auch ein Bö¤rtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone! Klö¤rchen. Eine majestö¤tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten. Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wö¤re auch nicht Furcht, nur jungfrö¤uliche Scham. Klö¤rchen (schlö¤gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn). Egmont. Ich verstehe dich! liebes Mö¤dchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er kö¼öŸt ihre Augen.) Klö¤rchen. LaöŸ mich schweigen! LaöŸ mich dich halten. LaöŸ mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der groöŸe Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hö¤ngen? Egmont. Nein, Klö¤rchen, das bin ich nicht. Klö¤rchen. Wie? Egmont. Siehst du, Klö¤rchen! - LaöŸ mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchoöŸ und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrieöŸlicher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muöŸ; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fö¼r froh und frö¶hlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weiöŸ, was es will; geehrt und in die Hö¶he getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht ö¼berlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen mö¶chten; arbeitend und sich bemö¼hend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn - O laöŸ mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, Klö¤rchen, der ist ruhig, offen, glö¼cklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drö¼ckt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont! Klö¤rchen. So laöŸ mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese! Vierter Aufzug StraöŸe Jetter. Zimmermeister. Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort! Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig. Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues? Zimmermeister. Nichts, als daöŸ uns von Neuem zu reden verboten ist. Jetter. Wie? Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. Hö¼tet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch zwei oder drei, die auf der StraöŸe zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Untersuchung schuldig erklö¤rt sind. Jetter. O weh! Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen zu reden. Jetter. O unsre Freiheit! Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung miöŸbilligen. Jetter. O unsre Kö¶pfe! Zimmermeister. Und mit groöŸem Versprechen werden Vö¤ter, Mö¼tter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren. Jetter. Gehn wir nach Hause. Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, daöŸ sie weder an Leibe, noch Ehre, noch Vermö¶gen einige Krö¤nkung erdulden sollen. Jetter. Wie gnö¤dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wö¤re der Himmel mit einem schwarzen Flor ö¼berzogen und hinge so tief herunter, daöŸ man sich bö¼cken mö¼sse, um nicht dran zu stoöŸen. Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren. Jetter. Pfui! Es schnö¼rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte, und sieht so steif und mö¼rrisch aus, daöŸ du auf allen Ecken einen Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit ausgegrö¤tschten Beinen da, hatten den Hut ö¼berm Ohr, lebten und lieöŸen leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt. Zimmermeister. Wenn so einer ruft. á»Halt!á« und anschlö¤gt, meinst du, man hielte? Jetter. Ich wö¤re gleich des Todes. Zimmermeister. Gehn wir nach Hause. Jetter. Es wird nicht gut. Adieu. (Soest tritt dazu.) Soest. Freunde! Genossen! Zimmermeister. Still! LaöŸt uns gehen. Soest. WiöŸt ihr? Jetter. Nur zu viel! Soest. Die Regentin ist weg. Jetter. Nun gnad' uns Gott! Zimmermeister. Die hielt uns noch. Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie lieöŸ dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt's. Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daöŸ er uns diese neue GeiöŸel ö¼ber den Hals gelassen hat. Sie hö¤tten es abwenden kö¶nnen. Unsre Privilegien sind hin. Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken. Soest. Oranien ist auch weg. Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen! Soest. Graf Egmont ist noch da. Jetter. Gott sei Dank! Stö¤rken ihn alle Heiligen, daöŸ er sein Bestes tut; der ist allein was vermö¶gend. (Vansen tritt auf.) Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind? Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fö¼rbaöŸ. Vansen. Ihr seid nicht hö¶flich. Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt? Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf Schlö¤ge was gegeben hö¤tte, wö¤re sein Tage nichts aus mir geworden. Jetter. Es kann ernstlicher werden. Vansen. Ihr spö¼rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbö¤rmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint's. Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst. Vansen. Armselige Mö¤use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein biöŸchen anders; aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig. Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts. Vansen. Gevatter Tropf! LaöŸ du den Herzog nur gewö¤hren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt Mö¤use gefressen hö¤tte und kö¶nnte sie nun nicht verdauen. LaöŸt ihn nur erst; er muöŸ auch essen, trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch finden, daöŸ in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne Mö¤uschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter. Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in meinem Leben so etwas gesagt hö¤tte, hielt' ich mich keine Minute fö¼r sicher. Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfö¤hrt nichts von euch Wö¼rmern, geschweige der Regent. Jetter. Lö¤stermaul! Vansen. Ich weiöŸ andere, denen es besser wö¤re, sie hö¤tten statt ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe. Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen? Vansen. Hm! den Grafen mein ich. Jetter. Egmont! Was soll der fö¼rchten? Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kö¶nnte ein ganzes Jahr leben von dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kö¶nnt' er mir sein Einkommen eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde hö¤tte. Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als dein Hirn. Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am ersten. Er sollte nicht trauen. Jetter. Was er schwö¤tzt! So ein Herr! Vansen. Eben weil er kein Schneider ist. Jetter. Ungewaschen Maul! Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder wö¼nschen, daöŸ sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte, bis er aus der Stadt mö¼öŸte. Jetter. Ihr redet recht unverstö¤ndig; er ist so sicher wie der Stern am Himmel. Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er! Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun? Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr erregen, wenn sie ihn gefangennehmen? Jetter. Ah! Vansen. Wollt ihr eure Rippen fö¼r ihn wagen? Soest. Eh! Vansen (sie nachö¤ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn! Jetter. Ich erschrecke ö¼ber Eure Unverschö¤mtheit. So ein edler, rechtschaffener Mann sollte was zu befö¼rchten haben? Vansen. Der Schelm sitzt ö¼berall im Vorteil. Auf dem Armensö¼nderstö¼hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen verhö¶rt hatte. Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn heraus verhö¶ren, wenn einer unschuldig ist? Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhö¶ren ist, da verhö¶rt man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's heiöŸen, und sagt alles geradezu, was ein Verstö¤ndiger verbö¤rge. Dann macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und paöŸt ja auf, wo irgendein Widersprö¼chelchen erscheinen will; da knö¼pft er seinen Strick an, und lö¤öŸt sich der dumme Teufel betreten, daöŸ er hier etwas zu viel, dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weiöŸ was fö¼r einer Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen, verrö¼ckten, verdrö¼ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen und Umstö¤nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu zusammenkö¼nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hö¤ngen zu kö¶nnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hö¤ngen sehen. Jetter. Der hat eine gelö¤ufige Zunge. Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures Gespinstes. Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbö¤uchigen, die sind weniger schlimm, aber so einer langfö¼öŸigen, schmalleibigen, die vom FraöŸe nicht feist wird und recht dö¼nne Fö¤den zieht, aber desto zö¤here. Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten Orden. Dein loses Maul, dein bö¶ses Gewissen verfö¼hren dich zu solchem Geschwö¤tz. Vansen. Will ich ihm darum ö¼bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwö¤rts schon wö¤ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll Schlö¤ge verabschiedet. Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald Brö¼derschaft mit uns trinken wö¼rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte Wö¶lfe. Der Culenburgische Palast Wohnung des Herzogs von Alba Silva und Gomez begegnen einander. Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet? Gomez. Pö¼nktlich. Alle tö¤gliche Runden sind beordert, zur bestimmten Zeit an verschiedenen Plö¤tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe; sie gehen indes, wie gewö¶hnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten. Keiner weiöŸ von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an, und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle Zugö¤nge zum Palast kö¶nnen besetzt sein. WeiöŸt du die Ursache dieses Befehls? Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daöŸ er recht befohlen hat? Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, daöŸ du so verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muöŸt. Mir kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin. An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das Schwö¤tzen und Rö¤sonieren angewö¶hnt. Ihr schweigt alle und laöŸt es euch nie wohl sein. Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung Flö¼gel hö¤tte. Neulich hö¶rt' ich ihn bei Tafel von einem frohen freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem ausgesteckten Branntweinzeichen, um Mö¼öŸiggö¤nger, Bettler und Diebe hereinzulocken. Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefö¼hrt? Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewiöŸ! Wer Zeuge seiner Klugheit war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen. Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, Kö¶niglichen und Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefö¤hrlich achtete, leicht und ohne AnstoöŸ zu leiten wuöŸte! - Wir haben was gesehen, was lernen kö¶nnen. Silva. Auch hier! Ist nicht alles still und ruhig, als wenn kein Aufstand gewesen wö¤re? Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen. Silva. In den Provinzen ist es viel ruhiger geworden; und wenn sich noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die Wege bald versperren, denk ich. Gomez. Nun wird er erst die Gunst des Kö¶nigs gewinnen. Silva. Und uns bleibt nichts angelegener, als uns die seinige zu erhalten. Wenn der Kö¶nig hieherkommt, bleibt gewiöŸ der Herzog und jeder, den er empfiehlt, nicht unbelohnt. Gomez. Glaubst du, daöŸ der Kö¶nig kommt? Silva. Es werden so viele Anstalten gemacht, daöŸ es hö¶chst wahrscheinlich ist. Gomez. Mich ö¼berreden sie nicht. Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des Kö¶nigs Absicht ja nicht sein sollte zu kommen, so ist sie's doch wenigstens gewiöŸ, daöŸ man es glauben soll. (Ferdinand, Albas natö¼rlicher Sohn.) Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus? Silva. Wir warten auf ihn. Ferdinand. Die Fö¼rsten werden bald hier sein. Gomez. Kommen sie heute? Ferdinand. Oranien und Egmont. Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas. Silva. So behalt es fö¼r dich. (Herzog von Alba. - Wie er herein- und hervortritt, treten die andern zurö¼ck.) Alba. Gomez. Gomez (tritt vor). Herr! Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert? Gomez. Aufs genaueste. Die tö¤glichen Runden - Alba. Genug. Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick sagen, wenn du sie zusammenziehen, die Zugö¤nge nach dem Palast besetzen sollst. Das ö¼brige weiöŸt du. Gomez. Ja, Herr! (Ab.) Alba. Silva! Silva. Hier bin ich. Alba. Alles, was ich von jeher an dir geschö¤tzt habe, Mut, Entschlossenheit, unaufhaltsames Ausfö¼hren, das zeige heut. Silva. Ich danke Euch, daöŸ Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen, daöŸ ich der alte bin. Alba. Sobald die Fö¼rsten bei mir eingetreten sind, dann eile gleich, Egmonts Geheimschreiber gefangenzunehmen. Du hast alle Anstalten gemacht, die ö¼brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen? Silva. Vertraue auf uns. Ihr Schicksal wird sie, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsternis, pö¼nktlich und schrecklich treffen. Alba. Hast du sie genau beobachten lassen? Silva. Alle; den Egmont vor andern. Er ist der einzige, der, seit du hier bist, sein Betragen nicht geö¤ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andere, ladet Gö¤ste, ist immer lustig und unterhaltend bei Tafel, wö¼rfelt, schieöŸt und schleicht nachts zum Liebchen. Die andern haben dagegen eine merkliche Pause in ihrer Lebensart gemacht; sie bleiben bei sich; vor ihrer Tö¼re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wö¤re. Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen. Silva. Ich stelle sie. Auf deinen Befehl ö¼berhö¤ufen wir sie mit dienstfertigen Ehren. Ihnen graut's; politisch geben sie uns einen ö¤ngstlichen Dank, fö¼hlen, das Rö¤tlichste sei, zu entfliehen, keiner wagt einen Schritt, sie zaudern, kö¶nnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas Kö¼hnes zu tun, hö¤lt sie der Gemeingeist ab. Sie mö¶chten gern sich jedem Verdacht entziehen und machen sich immer verdö¤chtiger. Schon seh ich mit Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefö¼hrt. Alba. Ich freue mich nur ö¼ber das Geschehene; und auch ö¼ber das nicht leicht; denn es bleibt stets noch ö¼brig, was uns zu denken und zu sorgen gibt. Das Glö¼ck ist eigensinnig, oft das Gemeine, das Nichtswö¼rdige zu adeln und wohlö¼berlegte Taten mit einem gemeinen Ausgang zu entehren. Verweile, bis die Fö¼rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die StraöŸen zu besetzen, und eile selbst, Egmonts Schreiber und die ö¼brigen gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und meld es meinem Sohne, daöŸ er mir in den Rat die Nachricht bringe. Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dö¼rfen. (Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.) Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber meine Hoffnung schwankt. Ich fö¼rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir, die still und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der Fö¼rsten und vieler Tausende wö¤gen. Langsam wankt das Zö¼nglein auf und ab; tief scheinen die Richter zu sinnen; zuletzt sinkt diese Schale, steigt jene, angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.) (Alba mit Ferdinand hervortretend.) Alba. Wie fandst du die Stadt? Ferdinand. Es hat sich alles gegeben. Ich ritt, als wie zum Zeitvertreib, straöŸauf, straöŸab. Eure wohlverteilten Wachen halten die Furcht so angespannt, daöŸ sie sich nicht zu lispeln untersteht. Die Stadt sieht einem Felde ö¤hnlich, wenn das Gewitter von weitem leuchtet; man erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach einem Schutzorte schlö¼pft. Alba. Ist dir nichts weiter begegnet? Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir grö¼öŸten uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben muöŸte. á»LaöŸt uns eilen, Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!á« rief er mir entgegen. Er werde mich noch heute wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen, mit Euch zu ratschlagen. Alba. Er wird dich wiedersehn. Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier kenne, gefö¤llt er mir am besten. Es scheint, wir werden Freunde sein. Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig behutsam; immer erkenn ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie unbedingt in die Arme lieferte. Zu mancher gefö¤hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig ein. Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam. Alba. Ich vergebe deinem jungen Blute dies leichtsinnige Wohlwollen, diese unachtsame Frö¶hlichkeit. Nur vergiöŸ nicht, zu welchem Werke ich gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mö¶chte. Ferdinand. Erinnert mich, und schont mich nicht, wo Ihr es nö¶tig haltet. Alba (nach einer Pause). Mein Sohn! Ferdinand. Mein Vater! Alba. Die Fö¼rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht MiöŸtrauen, daöŸ ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden nicht wieder von hinnen gehn. Ferdinand. Was sinnst du? Alba. Es ist beschlossen, sie festzuhalten. - Du erstaunst! Was du zu tun hast, hö¶re; die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt bleibt keine Zeit, sie auszulegen. Mit dir allein wö¼nscht' ich das Grö¶öŸte, das Geheimste zu besprechen; ein starkes Band hö¤lt uns zusammengefesselt; du bist mir wert und lieb; auf dich mö¶cht' ich alles hö¤ufen. Nicht die Gewohnheit zu gehorchen allein mö¶cht' ich dir einprö¤gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufö¼hren, wö¼nscht' ich in dir fortzupflanzen; dir ein groöŸes Erbteil, dem Kö¶nige den brauchbarsten Diener zu hinterlassen; dich mit dem Besten, was ich habe, auszustatten, daöŸ du dich nicht schö¤men dö¼rfest, unter deine Brö¼der zu treten. Ferdinand. Was werd ich dir nicht fö¼r diese Liebe schuldig, die du mir allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert! Alba. Nun hö¶re, was zu tun ist. Sobald die Fö¼rsten eingetreten sind, wird jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird eilen, Egmonts Schreiber mit den Verdö¤chtigsten gefangenzunehmen. Du hö¤ltst die Wache am Tore und in den Hö¶fen in Ordnung. Vor allen Dingen besetze diese Zimmer hier neben mit den sichersten Leuten; dann warte auf der Galerie, bis Silva wiederkommt, und bringe mir irgendein unbedeutend Blatt herein, zum Zeichen, daöŸ sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte Egmont hier, als ob ich ihm noch was zu sagen hö¤tte. Am Ende der Galerie fordre Oraniens Degen, rufe die Wache an, verwahre schnell den gefö¤hrlichsten Mann; und ich fasse Egmont hier. Ferdinand. Ich gehorche, mein Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen und mit Sorge. Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste groöŸe Tag, den du erlebst. (Silva tritt herein.) Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht. Alba. Sagt' es der Bote? Silva. Nein, mir sagt's das Herz. Alba. Aus dir spricht mein bö¶ser Genius. (Nachdem er den Brief gelesen, winkt er beiden, und sie ziehen sich in die Galerie zurö¼ck. Er bleibt allein auf dem Vorderteile.) Er kommt nicht! Bis auf den letzten Augenblick verschiebt er, sich zu erklö¤ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein! - Es rö¼ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein groöŸes Werk ist getan oder versö¤umt, unwiederbringlich versö¤umt; denn es ist weder nachzuholen, noch zu verheimlichen. Lö¤ngst hatt' ich alles reiflich abgewogen, und mir auch diesen Fall gedacht, mir festgesetzt, was auch in diesem Falle zu tun sei; und jetzt, da es zu tun ist, wehr ich mir kaum, daöŸ nicht das Fö¼r und Wider mir aufs neue durch die Seele schwankt. - Ist's rö¤tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf und laöŸ Egmont mit den Seinigen, mit so vielen entschlö¼pfen, die nun, vielleicht nur heute noch, in meinen Hö¤nden sind? So zwingt dich das Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet! Wie groöŸ, wie schö¶n der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im Augenblick des Entscheidens bist du zwischen zwei öœbel gestellt; wie in einen Lostopf greifst du in die dunkle Zukunft; was du fassest, ist noch zugerollt, dir unbewuöŸt, sei's Treffer oder Fehler! (Er wird aufmerksam, wie einer, der etwas hö¶rt, und tritt ans Fenster.) Er ist es! Egmont! - Trug dich dein Pferd so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, der an der Pforte dich empfö¤ngt? - Steig ab! - So bist du mit dem einen FuöŸ im Grab! und so mit beiden! - ja streichl' es nur und klopfe fö¼r seinen mutigen Dienst zum letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung, wie hier Egmont naht, kann er dir nicht zum zweitenmal sich liefern! - Hö¶rt! (Ferdinand und Silva treten eilig herbei.) Alba. Ihr tut, was ich befahl; ich ö¤ndre meinen Willen nicht. Ich halte, wie es gehn will, Egmont auf, bis du mir von Silva die Nachricht gebracht hast. Dann bleib in der Nö¤he. Auch dir raubt das Geschick das groöŸe Verdienst, des Kö¶nigs grö¶öŸten Feind mit eigener Hand gefangen zu haben. (Zu Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.) Geh ihm entgegen. (Alba bleibt einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.) (Egmont tritt auf.) Egmont. Ich komme, die Befehle des Kö¶nigs zu vernehmen, zu hö¶ren, welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt. Alba. Er wö¼nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hö¶ren. Egmont. öœber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn hier. Alba. Mir tut es leid, daöŸ er uns eben in dieser wichtigen Stunde fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wö¼nscht der Kö¶nig, wie diese Staaten wieder zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr werdet krö¤ftig mitwirken, diese Unruhen zu stillen und die Ordnung der Provinzen vö¶llig und dauerhaft zu grö¼nden. Egmont. Ihr kö¶nnt besser wissen als ich, daöŸ schon alles genug beruhigt ist, ja, noch mehr beruhigt war, eh die Erscheinung der neuen Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die Gemö¼ter bewegte. Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das Rö¤tlichste sei gewesen, wenn der Kö¶nig mich gar nicht in den Fall gesetzt hö¤tte, Euch zu fragen. Egmont. Verzeiht! Ob der Kö¶nig das Heer hö¤tte schicken sollen, ob nicht vielmehr die Macht seiner majestö¤tischen Gegenwart allein stö¤rker gewirkt hö¤tte, ist meine Sache nicht zu beurteilen. Das Heer ist da, er nicht. Wir aber mö¼öŸten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind. Bekennen wir! Sie brachte durch ihr so kluges als tapferes Betragen die Aufrö¼hrer mit Gewalt und Ansehn, mit öœberredung und List zur Ruhe und fö¼hrte zum Erstaunen der Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zurö¼ck. Alba. Ich leugne es nicht. Der Tumult ist gestillt, und jeder scheint in die Grenzen des Gehorsams zurö¼ckgebannt. Aber hö¤ngt es nicht von eines jeden Willkö¼r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen? Wo ist die Macht, sie abzuhalten? Wer bö¼rgt uns, daöŸ sie sich ferner treu und untertö¤nig zeigen werden? Ihr guter Wille ist alles Pfand, das wir haben. Egmont. Und ist der gute Wille eines Volks nicht das sicherste, das edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein Kö¶nig sicherer halten, als wenn sie alle fö¼r einen, einer fö¼r alle stehn? Sicherer gegen innere und ö¤uöŸere Feinde? Alba. Wir werden uns doch nicht ö¼berreden sollen, daöŸ es jetzt hier so steht? Egmont. Der Kö¶nig schreibe einen Generalpardon aus, er beruhige die Gemö¼ter; und bald wird man sehen, wie Treue und Liebe mit dem Zutrauen wieder zurö¼ckkehrt. Alba. Und jeder, der die Majestö¤t des Kö¶nigs, der das Heiligtum der Religion geschö¤ndet, ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern zum bereiten Beispiel, daöŸ ungeheure Verbrechen straflos sind? Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der Trunkenheit nicht eher zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung, wo GewiöŸheit ist, daöŸ die öœbel nicht wiederkehren werden? Waren Kö¶nige darum nicht sicherer? Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die eine Beleidigung ihrer Wö¼rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden sie nicht eben deswegen Gott gleich gehalten, der viel zu groöŸ ist, als daöŸ an ihn jede Lö¤sterung reichen sollte? Alba. Und eben darum soll der Kö¶nig fö¼r die Wö¼rde Gottes und der Religion, wir sollen fö¼r das Ansehn des Kö¶nigs streiten. Was der obere abzulehnen verschmö¤ht, ist unsere Pflicht zu rö¤chen. Ungestraft soll, wenn ich rate, kein Schuldiger sich freuen. Egmont. Glaubst du, daöŸ du sie alle erreichen wirst? Hö¶rt man nicht tö¤glich, daöŸ die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die Reichsten werden ihre Gö¼ter, sich, ihre Kinder und Freunde flö¼chten; der Arme wird seine nö¼tzlichen Hö¤nde dem Nachbar zubringen. Alba. Sie werden, wenn man sie nicht verhindern kann. Darum verlangt der Kö¶nig Rat und Tat von jedem Fö¼rsten, Ernst von jedem Statthalter; nicht nur Erzö¤hlung, wie es ist, was werden kö¶nnte, wenn man alles gehen lieöŸe, wie's geht. Einem groöŸen öœbel zusehen, sich mit Hoffnung schmeicheln, der Zeit vertrauen, etwa einmal dreinschlagen, wie im Fastnachtsspiel, daöŸ es klatscht und man doch etwas zu tun scheint, wenn man nichts tun mö¶chte, heiöŸt das nicht, sich verdö¤chtig machen, als sehe man dem Aufruhr mit Vergnö¼gen zu, den man nicht erregen, wohl aber hegen mö¶chte! Egmont (im Begriff aufzufahren, nimmt sich zusammen und spricht nach einer kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches Mannes Absicht ist zu miöŸdeuten. MuöŸ man doch auch von allen Seiten hö¶ren: es sei des Kö¶nigs Absicht weniger, die Provinzen nach einfö¶rmigen und klaren Gesetzen zu regieren, die Majestö¤t der Religion zu sichern und einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie unbedingt zu unterjochen, sie ihrer alten Rechte zu berauben, sich Meister von ihren Besitztö¼mern zu machen, die schö¶nen Rechte des Adels einzuschrö¤nken, um derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen mag. Die Religion, sagt man, sei nur ein prö¤chtiger Teppich, hinter dem man jeden gefö¤hrlichen Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf den Knien, betet die heiligen gewirkten Zeichen an, und hinten lauscht der Vogelsteller, der sie berö¼cken will. Alba. Das muöŸ ich von dir hö¶ren? Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von GroöŸen und von Kleinen, Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet wird. Die Niederlö¤nder fö¼rchten ein doppeltes Joch, und wer bö¼rgt ihnen fö¼r ihre Freiheit? Alba. Freiheit? Ein schö¶nes Wort, wer's recht verstö¤nde. Was wollen sie fö¼r Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und daran wird sie der Kö¶nig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kö¶nnen. Wö¤re es nicht besser, abzudanken, als ein solches Volk zu regieren? Wenn auswö¤rtige Feinde drö¤ngen, an die kein Bö¼rger denkt, der mit dem Nö¤chsten nur beschö¤ftigt ist, und der Kö¶nig verlangt Beistand: dann werden sie uneins unter sich, und verschwö¶ren sich gleichsam mit ihren Feinden. Weit besser ist's, sie einzuengen, daöŸ man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem Besten leiten kann. Glaube nur, ein Volk wird nicht alt, nicht klug; ein Volk bleibt immer kindisch. Egmont. Wie selten kommt ein Kö¶nig zu Verstand! Und sollen sich viele nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern den wenigen des einen, dem Volke, das an den Blicken seines Herrn altert. Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden. Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst ö¼berlassen ist. Egmont. Und darum niemand gern sich selbst ö¼berlassen mö¶chte. Man tue, was man will; ich habe auf deine Frage geantwortet und wiederhole: Es geht nicht! Es kann nicht gehen! Ich kenne meine Landsleute. Es sind Mö¤nner, wert, Gottes Boden zu betreten; ein jeder rund fö¼r sich, ein kleiner Kö¶nig, fest, rö¼hrig, fö¤hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer ist's, ihr Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und fest! Zu drö¼cken sind sie; nicht zu unterdrö¼cken. Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in des Kö¶nigs Gegenwart wiederholen? Egmont. Desto schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto besser fö¼r ihn, fö¼r sein Volk, wenn er mir Mut machte, wenn er mir Zutrauen einflö¶öŸte, noch weit mehr zu sagen. Alba. Was nö¼tzlich ist, kann ich hö¶ren wie er. Egmont. Ich wö¼rde ihm sagen: Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor sich hintreiben, der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand; aber dem edeln Pferde, das du reiten willst, muöŸt du seine Gedanken ablernen, du muöŸt nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen. Darum wö¼nscht der Bö¼rger seine alte Verfassung zu behalten, von seinen Landsleuten regiert zu sein, weil er weiöŸ, wie er gefö¼hrt wird, weil er von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann. Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu verö¤ndern? und sollte nicht eben dies sein schö¶nstes Vorrecht sein? Was ist bleibend auf dieser Welt? und sollte eine Staatseinrichtung bleiben kö¶nnen? MuöŸ nicht in einer Zeitfolge jedes Verhö¤ltnis sich verö¤ndern und eben darum eine alte Verfassung die Ursache von tausend öœbeln werden, weil sie den gegenwö¤rtigen Zustand des Volkes nicht umfaöŸt? Ich fö¼rchte, diese alten Rechte sind darum so angenehm, weil sie Schlupfwinkel bilden, in welchen der Kluge, der Mö¤chtige, zum Schaden des Volks, zum Schaden des Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann. Egmont. Und diese willkö¼rlichen Verö¤nderungen, diese unbeschrö¤nkten Eingriffe der hö¶chsten Gewalt, sind sie nicht Vorboten, daöŸ einer tun will, was Tausende nicht tun sollen? Er will sich allein frei machen, um jeden seiner Wö¼nsche befriedigen, jeden seiner Gedanken ausfö¼hren zu kö¶nnen. Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen Kö¶nige, ganz vertrauten, sagt er uns fö¼r seine Nachkommen gut? daöŸ keiner ohne Rö¼cksicht, ohne Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von vö¶lliger Willkö¼r, wenn er uns seine Diener, seine Nö¤c