. Du kannst dich fassen, du kannst entsagen, den schweren Schritt an der Hand der Notwendigkeit heldenmö¤öŸig gehn. Was kann ich? Was soll ich? Du ö¼berwindest dich selbst und uns; du ö¼berstehst; ich ö¼berlebe dich und mich selbst. Bei der Freude des Mahls hab ich mein Licht, im Getö¼mmel der Schlacht meine Fahne verloren. Schal, verworren, trö¼b scheint mir die Zukunft. Egmont. Junger Freund, den ich durch ein sonderbares Schicksal zugleich gewinne und verliere, der fö¼r mich die Todesschmerzen empfindet, fö¼r mich leidet, sieh mich in diesen Augenblicken an; du verlierst mich nicht. War dir mein Leben ein Spiegel, in welchem du dich gerne betrachtetest: so sei es auch mein Tod. Die Menschen sind nicht nur zusammen, wenn sie beisammen sind; auch der Entfernte, der Abgeschiedene lebt uns. Ich lebe dir, und habe mir genug gelebt. Eines jeden Tages hab ich mich gefreut; an jedem Tage mit rascher Wirkung meine Pflicht getan, wie mein Gewissen mir sie zeigte. Nun endigt sich das Leben, wie es sich frö¼her, frö¼her, schon auf dem Sande von Gravelingen hö¤tte endigen kö¶nnen. Ich hö¶re auf zu leben; aber ich habe gelebt. So leb auch du, mein Freund, gern und mit Lust, und scheue den Tod nicht. Ferdinand. Du hö¤ttest dich fö¼r uns erhalten kö¶nnen, erhalten sollen. Du hast dich selber getö¶tet. Oft hö¶rt' ich, wenn kluge Mö¤nner ö¼ber dich sprachen, feindselige, wohlwollende, sie stritten lang ö¼ber deinen Wert; doch endlich vereinigten sie sich, keiner wagt' es zu leugnen, jeder gestand: ja, er wandelt einen gefö¤hrlichen Weg. Wie oft wö¼nscht' ich, dich warnen zu kö¶nnen! Hattest du denn keine Freunde? Egmont. Ich war gewarnt. Ferdinand. Und wie ich punktweise alle diese Beschuldigungen wieder in der Anklage fand, und deine Antworten! Gut genug, dich zu entschuldigen; nicht triftig genug, dich von der Schuld zu befreien - Egmont. Dies sei beiseite gelegt. Es glaubt der Mensch sein Leben zu leiten, sich selbst zu fö¼hren; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach seinem Schicksale gezogen. LaöŸ uns darö¼ber nicht sinnen; dieser Gedanken entschlag ich mich leicht - schwerer der Sorge fö¼r dieses Land! doch auch dafö¼r wird gesorgt sein. Kann mein Blut fö¼r viele flieöŸen, meinem Volke Friede bringen, so flieöŸt es willig. Leider wird's nicht so werden. Doch es ziemt dem Menschen, nicht mehr zu grö¼beln, wo er nicht mehr wirken soll. Kannst du die verderbende Gewalt deines Vaters aufhalten, lenken, so tu's. Wer wird das kö¶nnen? - Leb wohl! Ferdinand. Ich kann nicht gehn. Egmont. LaöŸ meine Leute dir aufs beste empfohlen sein! Ich habe gute Menschen zu Dienern; daöŸ sie nicht zerstreut, nicht unglö¼cklich werden! Wie steht es um Richard, meinen Schreiber? Ferdinand. Er ist dir vorangegangen. Sie haben ihn als Mitschuldigen des Hochverrats enthauptet. Egmont. Arme Seele! - Noch eins, und dann leb wohl, ich kann nicht mehr. Was auch den Geist gewaltsam beschö¤ftigt, fordert die Natur zuletzt doch unwiderstehlich ihre Rechte; und wie ein Kind, umwunden von der Schlange, des erquickenden Schlafs genieöŸt, so legt der Mö¼de sich noch einmal vor der Pforte des Todes nieder und ruht tief aus, als ob er einen weiten Weg zu wandern hö¤tte. - Noch eins - Ich kenne ein Mö¤dchen; du wirst sie nicht verachten, weil sie mein war. Nun ich sie dir empfehle, sterb ich ruhig. Du bist ein edler Mann; ein Weib, das den findet, ist geborgen. Lebt mein alter Adolf? ist er frei? Ferdinand. Der muntre Greis, der Euch zu Pferde immer begleitete? Egmont. Derselbe. Ferdinand. Er lebt, er ist frei. Egmont. Er weiöŸ ihre Wohnung; laöŸ dich von ihm fö¼hren und lohn ihm bis an sein Ende, daöŸ er dir den Weg zu diesem Kleinode zeigt. - Leb wohl! Ferdinand. Ich gehe nicht. Egmont (ihn nach der Tö¼r drö¤ngend). Leb wohl! Ferdinand. O laöŸ mich noch! Egmont. Freund, keinen Abschied. (Er begleitet Ferdinanden bis an die Tö¼r und reiöŸt sich dort von ihm los. Ferdinand, betö¤ubt, entfernt sich eilend.) Egmont (allein). Feindseliger Mann! Du glaubtest nicht, mir diese Wohltat durch deinen Sohn zu erzeigen. Durch ihn bin ich der Sorgen los und der Schmerzen, der Furcht und jedes ö¤ngstlichen Gefö¼hls. Sanft und dringend fordert die Natur ihren letzten Zoll. Es ist vorbei, es ist beschlossen! und was die letzte Nacht mich ungewiöŸ auf meinem Lager wachend hielt, das schlö¤fert nun mit unbezwinglicher GewiöŸheit meine Sinnen ein. (Er setzt sich aufs Ruhebett. Musik.) Sö¼öŸer Schlaf! Du kommst wie ein reines Glö¼ck ungebeten, unerfleht am willigsten. Du lö¶sest die Knoten der strengen Gedanken, vermischest alle Bilder der Freude und des Schmerzes; ungehindert flieöŸt der Kreis innerer Harmonien, und eingehö¼llt in gefö¤lligen Wahnsinn, versinken wir und hö¶ren auf zu sein. (Er entschlö¤ft; die Musik begleitet seinen Schlummer. Hinter seinem Lager scheint sich die Mauer zu erö¶ffnen, eine glö¤nzende Erscheinung zeigt sich. Die Freiheit in himmlischem Gewande, von einer Klarheit umflossen, ruht auf einer Wolke. Sie hat die Zö¼ge von Klö¤rchen und neigt sich gegen den schlafenden Helden. Sie drö¼ckt eine bedauernde Empfindung aus, sie scheint ihn zu beklagen. Bald faöŸt sie sich, und mit aufmunternder Gebö¤rde zeigt sie ihm das Bö¼ndel Pfeile, dann den Stab mit dem Hute. Sie heiöŸt ihn froh sein, und indem sie ihm andeutet, daöŸ sein Tod den Provinzen die Freiheit verschaffen werde, erkennt sie ihn als Sieger und reicht ihm einen Lorbeerkranz, Wie sie sich mit dem Kranze dem Haupte nahet, macht Egmont eine Bewegung, wie einer, der sich im Schlafe regt, dergestalt, daöŸ er mit dem Gesicht aufwö¤rts gegen sie liegt. Sie hö¤lt den Kranz ö¼ber seinem Haupte schwebend: man hö¶rt ganz von weitem eine kriegerische Musik von Trommeln und Pfeifen: bei dem leisesten Laut derselben verschwindet die Erscheinung. Der Schall wird stö¤rker. Egmont erwacht; das Gefö¤ngnis wird vom Morgen mö¤öŸig erhellt. Seine erste Bewegung ist, nach dem Haupte zu greifen: er steht auf und sieht sich um, indem er die Hand auf dem Haupte behö¤lt.) Verschwunden ist der Kranz! Du schö¶nes Bild, das Licht des Tages hat dich verscheuchet! Ja sie waren's, sie waren vereint, die beiden sö¼öŸesten Freuden meines Herzens. Die gö¶ttliche Freiheit, von meiner Geliebten borgte sie die Gestalt; das reizende Mö¤dchen kleidete sich in der Freundin himmlisches Gewand. In einem ernsten Augenblick erscheinen sie vereinigt, ernster als lieblich. Mit blutbefleckten Sohlen trat sie vor mir auf, die wehenden Falten des Saumes mit Blut befleckt. Es war mein Blut und vieler Edeln Blut. Nein, es ward nicht umsonst vergossen. Schreitet durch! Braves Volk! Die Siegesgö¶ttin fö¼hrt dich an! Und wie das Meer durch eure Dö¤mme bricht, so brecht, so reiöŸt den Wall der Tyrannei zusammen und schwemmt ersö¤ufend sie von ihrem Grunde, den sie sich anmaöŸt, weg! (Trommeln nö¤her.) Horch! Horch! Wie oft rief mich dieser Schall zum freien Schritt nach dem Felde des Streits und des Siegs! Wie munter traten die Gefö¤hrten auf der gefö¤hrlichen, rö¼hmlichen Bahn! Auch ich schreite einem ehrenvollen Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe fö¼r die Freiheit, fö¼r die ich lebte und focht und der ich mich jetzt leidend opfre. (Der Hintergrund wird mit einer Reihe spanischer Soldaten besetzt, welche Hellebarden tragen.) Ja, fö¼hrt sie nur zusammen! SchlieöŸt eure Reihen, ihr schreckt mich nicht. Ich bin gewohnt, vor Speeren gegen Speere zu stehn und, rings umgeben von dem drohenden Tod, das mutige Leben nur doppelt rasch zu fö¼hlen. (Trommeln.) Dich schlieöŸt der Feind von allen Seiten ein! Es blinken Schwerter; Freunde, hö¶hern Mut! Im Rö¼cken habt ihr Eltern, Weiber, Kinder! (Auf die Wache zeigend.) Und diese treibt ein hohles Wort des Herrschers, nicht ihr Gemö¼t. Schö¼tzt eure Gö¼ter! Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich euch ein Beispiel gebe. (Trommeln. Wie er auf die Wache los- und auf die Hintertö¼r zugeht, fö¤llt der Vorhang: die Musik fö¤llt ein und schlieöŸt mit einer Siegessymphonie das Stö¼ck.)